Anmerkungen zur Spezialisierung innerhalb der MRK
Beiträge zur DDR- Geschichte des EinheitsSystem der Elektronischen Rechentechnik (1968-1990)
Rechentechnik der DDR im ESER Der internationale Vertragsrahmen Arbeitsumfeld des ESER in der DDR
Produkte und ROBOTRON-Teams Rückblicke & Anmerkungen zur IT Arbeitsumfeld des ESER in der UdSSR
 
 

Anmerkungen zur Praxis der Spezialisierung im Rahmen

der MRK RT aus Sicht der DDR- Belange

Kernpunkt, wenn nicht der wichtigste Grund der  starken aktuellen Dynamik der Entwicklung der Weltwirtschaft und modernster Technologie ist, wie wir alle sehen, die enorme Vertiefung der Arbeitsteilung in einer globalen Welt , ohne solche Handelsrestriktionen  wie politisches Embargo (obwohl auch heute Embargo- Restriktionen noch immer ein beliebtes Instrument der Durchsetzung bestimmter Ziele sind.. ), Beschränkungen der Valuta-Konvertibilität u.a. . Auch von Anbeginn der  Arbeit der MRK war die Dynamik der Entwicklung der Wirtschaft der sozialistischen Länder darauf gerichtet, analoge Effekte zu erzielen, allerdings mussten diese eher ungewollt zwangsläufig innerhalb des isolierten Wirtschaftssystems bleiben. Auch die Lenkung der arbeitsteiligen Prozesse erfolgte nach typischen Aspekten der Planwirtschaft, so wie das ganze Wirtschaftssystem.

Wichtig im historischen Rückblick ist aber die Erkenntnis, dass das Planungssystem auf die Optimierung jeweils der nationalen Wirtschaft jedes Teilnehmerlandes gerichtet war, während die Planung der vielfältigen Mechanismen einer mehrseitigen Spezialisierung quasi ein mehrdimensionales Prozessmodell erfordert hätte mit Möglichkeiten, auf wichtige Parameter der Wirtschaft der Länder Einfluss auszuüben. Ein derartiges Modell wäre aus vielen Gründen unter den gegebenen Rahmenbedingungen (UdSSR-Dominanz, höchste Belastungen der UdSSR durch Militärhaushalt, starke Unterschiede der Wirtschaftskraft und des Lebens-Niveaus.. ..) praxis- und lebensfremd geblieben, denn dafür wäre neben neuen Ökonomie- Modellen auch ein objektiv übernationales Gremium erforderlich gewesen. Daher waren alle Prozesse der Spezialisierung bilateral zwischen zwei Ländern angelegt, in Praxis sogar jeweils nur zwischen der UdSSR und jedem Teilnehmerland. In der Praxis der Arbeit der Wirtschaftsleitung und Planungsarbeit wurden mit den o.g. Einschränkungen verschiedene Formen der Arbeit mit Entwicklungsprognosen praktiziert, die das Ziel hatten, die erforderliche Vorausschau für die Vorbereitung neuer Investitionen in Forschung , Entwicklung und Fertigungskapazitäten, sowie  ggfls. zu erwartender Reduzierung der Bedeutung bestimmter Produkte / Technologien planungsseitig zu erarbeiten(s.u.) . Aber auch diese waren nach dem Kenntnisstand des Autors immer bilateral angelegt.

Das Ergebnis dieser Bemühungen ist eindeutigUnter den politischen und wirtschaftlichen Restriktionen des kalten Krieges und der Konfrontation einerseits  und der selbst auferlegten  Abtrennung der sozialistischen Staaten von den Möglichkeiten und Effekten des globalen Welthandels durch nicht konvertierbare Währung , ideologische verordnete Abschottung gegenüber dem Westen aus Misstrauen des Staates zu den eigenen Bürgern, aber auch wegen des grundsätzlich anderen Wertesystems der Erwirtschaftung und Verwendung des Sozialproduktes der Länder und weiterer Gründe ( Nationalismus, Differenzen bei politischen Zielen der Machthaber in den Ländern ..) war auch eine Wirtschaftswelt entstanden, deren Effektivität zunehmend schlechter wurde.... 

In diesem weitgehend isolierten System war die  Nutzung des Gesamt- Marktes der sozialistischen Länder aber doch eine Chance, um die es neben allen technischen und technologischen Themen der Entwicklungsprojekte bei den Spezialisierungsthemen ging. Dem jüngeren Leser kann die Sicht auf die Praktiken und Schwierigkeiten  dieser Seite der Arbeit der MRK   Antworten geben , die u. U. mehr zum Verständnis der betrachteten Zeit beitragen können, als EDVA- Architekturen und Technologie-Niveaus der µ-Prozessoren, denn letztlich waren Architekturen und µP- Entwürfe abgeleitete Erscheinungen im Wirtschaftsraum RGW.  

Nachfolgend  werden einige Aspekte zur Spezialisierung im Rahmen der MRK dargestellt, die sich besonders als Ergänzung zum Artikel zur Organisation der mehrseitigen Zusammenarbeit am Einheitssystem der sozialistischen Laender anbieten , aber auch viele andere Themen dieser Seiten zur ESER- Geschichte berühren.

Allgemeine Aussagen

  • Die Lenkung der Spezialisierungs- Prozesse in der UdSSR war bei  GOSPLAN ( staatl. Plan-Kommission der UdSSR) konzentriert, dem auch das Direktorat der MRK zugeordnet war. Die starke strukturelle Gliederung der Arbeitsorgane der MRK war zwar ein Ausdruck der UdSSR- Zuständigkeiten in verschiedenen Ministerien, Hauptverwaltungen usw.. , letztlich wurden UdSSR-interne Entscheidungen aber von GOSPLAN getroffen.

  • In der Planungsarbeit der einzelnen Länder spielten verschiedene Methoden der Prognosearbeit eine Rolle. Auch in der zweiseitigen Zusammenarbeit mit der DDR war GOSPLAN gemeinsam mit dem Staatlichen Komitee für Wissenschaft und Technik der UdSSR z.B. Träger für Prognosearbeiten zur quantitativen und qualitativen Entwicklung bestimmter Technologien und Anwendungstendenzen der Datenverarbeitung in der Volkswirtschaft. Die Erkenntnisse derartiger prognostischer Einschätzungen mittels verschiedener wissenschaftlicher Methoden, wie z.B. unabhängiger Expertenabschätzungen, waren eine Quelle der Planungsarbeit. Viel dominanter für Planvorgaben waren jedoch die kurz- und mittelfristig erkennbaren Defizite bei der Bedarfs-Deckung in der Wirtschaft, im Verteidigungssektor, im Forschungsbereich u.a. .

  • Die Gremien der MRK, vor allem die Räte der Chefkonstrukteure und der Planungsorgane waren durchaus sehr aktuell vom Stand der Entwicklung der modernsten Tendenzen bei Produkten und Anwendungen im Weltmaßstab informiert und formulierten daraus Zielprogramme zur Verringerung des Rückstandes der wichtigsten Gebiete der Technik. Allerdings wurde dieser Anspruch überschattet von den vielen Einschränkungen und Mangelsituationen des Wirtschaftssystems, sowie der Werteskala der "Sicherheitsdoktrin" der Staaten des Warschauer Paktes.

  • Die UdSSR war der Monopolist, der durch seinen riesigen Markt alle Spezialisierungsprozesse dominierte. Versorgungs- Belange der UdSSR waren, neben bestimmten politischen Entscheidungen seitens der UdSSR zugunsten einiger Länder (z.B. VRB ),  zu  ca. 80-90% Grundlage aller Entscheidungen. Die zentrale Rolle innerhalb der MRK - Organisation spielte "GOSPLAN" der UdSSR und die  Leit- Ministerien der UdSSR.

  • Eine "multinationale mittelfristige  Planung" war im Rahmen des existenten Wirtschaftsmechanismus nicht praktikabel . Der Handel der RGW Länder war dominiert von der bilateralen Valuta- Bilanz der jeweiligen Länder. Auch ein mehrseitiges "Clearing" existierte im Planungsprozess nicht (obwohl bei einer internen Koordinierungsabteilung von GOSPLAN sicher ein multilaterales "Monitoring" solcher  Bilanzen existierte) .

  • Die Spezialisierung erfolgte im Ökonomischen Rat durch entsprechende Beschlüsse zu Produktgruppen mit  zugehörigen "Chiffren ".  Ohne eine "Spezialisierung" für eine Produktgruppe zu besitzen, war ein Land praktisch chancenlos, für Entwicklungsarbeiten eine ESER ( oder SKR) - Chiffre  zu erhalten. Ohne Chiffre war aber  zumindest der Export in den Hauptmarkt UdSSR nicht möglich. Die Chiffren- Bestätigung zu einem konkreten Produkt ("technisches Mittel") aus der Spezialisierungsgruppe erfolgte dann abschließend nach positiver "gemeinsamer Prüfung" des technischen Mittels, d.h. auch nach Nachweis der Erfüllung aller weiteren Kriterien der ESER- Arbeit, wie etwa Einhaltung der Vorgaben der Standards zur konstruktiven Basis , Bauelemente- Einsatz usw.

  • Die  "Spezialisierungen" im Ökonomischen Rat  war vorrangig  auf eine technologische Spezialisierung orientiert und erfolgte defacto ohne eine strategische Planung der Arbeitsteilung auf der Grundlage abgestimmter Handelsvolumina oder mindestens deren Konzepte. Im Rahmen der Spezialisierungsbeschlüsse der MRK blieben also erhebliche nationale Risiken  für Unternehmensplanungen, Export- Importpläne und  Investitionskonzepte.

  •  Eine "beschlossene" Spezialisierung war weder Basis für einen  Export mit bestimmten mittelfristigen Orientierungen auf (gesicherte) Volumina , noch eine gesicherte Importmöglichkeit, da oftmals keine ausreichenden Fertigungskapazitäten entwickelt wurden bzw. Valuta- Bilanzen nicht verfügbar waren. Einige Lieferungen in die UdSSR waren trotz Spezialisierung und guter Qualität temporär, solange in der UdSSR die entsprechenden Betriebe noch nicht fertig gestellt waren.

  • Der Handel UdSSR- DDR erfolgte auf Basis einer Art "Clearing" zu einem komplexen ( Industriezweig- übergreifenden)Warenkorb, der die wichtigsten strategischen Export-/Importpositionen enthielt  (wie technische Ausrüstungen,  Automatisierungsmittel und Maschinenbauerzeugnisse, Transportmittel, Chemieprodukte und -Ausrüstungen , Energieträger , Rohstoffe,  Nahrungsmittel , Rechentechnik, Mikroelektronik,  usw. ).In diesem Rahmen gelang es in der DDR , bei ESER- Technik einen jahrelangen bedeutsamen Exportüberschuss zu erzielen. Die Handelspraktiken der UdSSR waren aber offenbar  gegenüber verschiedenen Ländern nicht einheitlich. Es existieren Informationen und Aussagen, dass teilweise ein stark branchenorientiertes Clearing erfolgte, z.B.  eine Art ESER-Technik gegen eine andere Art ESER- Technik,  was sicher gesamtwirtschaftlich gesehen besonders  uneffektiv war .

  • Praktisch in allen Ländern verschlechterten sich in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre  die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen . Die immer schlechter werdenden Möglichkeiten, bei MRK -Partnern wichtige Produkte mit einer bestimmten Berechenbarkeit einzukaufen, waren Grund dafür, dass die Entwicklungs- und Technologiekapazitäten der Länder zunehmend wieder für eigene nationale Programme eingesetzt wurden. 

Spezialisierungsaspekte an Beispielen  

  • Die "Spezialisierungspolitik" der MRK bei Magnetplatten- Speichern ist eher ein negativ- Beispiel der Zusammenarbeit : In den frühen Jahren der MRK hatte die DDR ein umfangreiches Programm für 14 Zoll- Wechselplattenspeicher gestartet und erste Geräte entwickelt und produziert. In späteren Verhandlungen mit der UdSSR bestand diese auf  der Spezialisierung  dieser Entwicklungsrichtung in der UdSSR und der VRB , während man hoffte, die hochentwickelten Kapazitäten der DDR-  Büromaschinenindustrie (z.B. Drucker ) für größere Lieferungen in die UdSSR zu nutzen. Sicher wären für kompatible Technologien einer DDR- Plattenspeicherlinie mit führenden Plattenspeicherproduzenten ( Magnet-Schichtsystem, Aluronden, Köpfe usw. ) in dieser Startphase noch enorme Investitionen erforderlich gewesen, jedoch bestimmt weniger, als dann ab 1985 im "zweiten Anlauf" der DDR (s.u.) .

  • Während das UdSSR Plattenspeicherprogramm keine Exporte ermöglichte ( die Kapazitäten waren ausschließlich auf Inlandbedarf incl. Technik mit Sonderspezifikationen ausgelegt ) , führte die defacto  Monopolstellung der VRB bei Plattentechnik im RGW nicht dazu, gute Qualität und moderne Technik zu erhalten, im Gegenteil , in Verhandlungen war es unmöglich , hohe Qualitätsparameter durchzusetzen.

  • Es  bestanden bei der  Ausstattung der  ESER- Modelle der DDR ( und auch der SKR- Technik)  mit Plattentechnik ständig Defizite bei Speicherkapazität und  Zuverlässigkeit der Plattensubsysteme.  Dieser Bilanzierungsmangel bei Plattenspeichertechnik entstand vorrangig  wegen  des Fehlens einer multilateralen Clearings . Die DDR kaufte in der VRB z.B. große Mengen Nahrungsmittel, aber tätigte relativ wenig valutaintensive Exporte in die VRB; so kaufte die VRB  auch keine ESER- Technik aus der DDR .  Das war auch ein Grund, warum in den späten 80ger Jahren in der DDR entschieden wurde, moderne Winchester- Plattenspeicher wieder selbst zu entwickeln und zu produzieren, obwohl durch Wegfall der WPS- Linie der DDR in den 70-er Jahren ein riesiges Technologieloch entstand, dessen Aufholung durch enorme Valutaimporte versucht wurde. 

  • Bei Magnetbandtechnik- Laufwerken  war die DDR bis auf wenige Ausnahmen ( 5m/s ) in der Lage, durch Carl Zeiss-Technik  ihren Inlandbedarf zu decken. (DDR-Exportmodelle der EDVA wurden immer erst vom Käufer mit Peripherie komplettiert, sofern es sich nicht um Zeiss- Technik oder andere DDR- Peripherie ( EC 7920, u.a ) handelte.) . Trotzdem verliefen Gespräche zu langfristigen Lieferungen in die UdSSR für die Leitung des Kombinates Carl Zeiss Jena nicht überzeugend , sodass keine weiteren strategischen Investments in die MB- Technik mehr erfolgten

  • Entwicklung und  Einsatz von Anwendungssoftware erfolgten  in den Teilnehmerländern auf deutlich unterschiedliche Weise , was auch dazu führte, dass der zuständige "Rat für Anwendung der RT" defacto keinerlei Spezialisierung vorschlagen konnte und uneffektiv arbeitete. In der DDR wurden von Anfang der  Anwendung der EDVA große Ressourcen darauf gerichtet, geeignete Technologien für die Eigen- Entwicklung von Anwendungssoftware (durch die Anwender) oder von vorgefertigten Sachgebiets- oder Verfahrenslösungen  bereitzustellen, um die vielfältigen Spezifika der Gesetzgebung, der Standardisierung und Organisation der Prozesse zu berücksichtigen.  Robotron stellte dafür umfangreiche SW und methodisches Material bereit.

Zusammenfassung

Im weitgehend isolierten Wirtschaftsraum  der sozialistischen Länder war die  Nutzung des RGW-Gesamt- Marktes  eine Chance, um die es neben allen technischen und technologischen Themen der Entwicklungsprojekte in der MRK- Arbeit vorrangig gehen sollte.

Die praktizierte, von der UdSSR dominierte Planungs- und Spezialisierungspolitik war nicht nur ineffizient, sondern ein Haupthinterniss zur besseren Ausschöpfung der Potentiale, die im geschlossen Wirtschaftsraum RGW existierten.

Das Thema "Planung der Spezialisierung " der MRK- Arbeit ist ein Schlüsselbeispiel für die Systemfehler des realen sozialistischen Wirtschaftsmechanismus, ein Kernelement, das die Anstrengungen, das Können und den Fleiß von Hunderttausenden Menschen in der IT- Branche stark belastete, obwohl die MRK- Arbeit, speziell der Teil des ESER, verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen der RGW- Arbeit ein "Vorzeige- Projekt" darstellte..

Obwohl die offizielle Politik eindeutig von Mechanismen der "sozialistischen Planung" ausging und die zentralen Organe diese praktizierten, waren viele Ansätze bestimmter real denkender Persönlichkeiten erkennbar, mangels der schlechten Effektivität bzw. Unwirksamkeit der zentralen Planung deutliche Elemente der Marktwirtschaft einzubauen oder einfach vorauszusetzen. Die Unverträglichkeit derartiger Ansätze war jedoch offensichtlich. Diese Reformansätze kamen zu spät,

Gorbatschows Politik verhinderte zwar eine weitere Eskalation des Wettrüstens, allerdings sehen wir aus heutiger Sicht, dass die "Reformpolitik" vom Schlage Jakowlews eher zu einer schleichenden Infiltration neolibréraler Strategien und den Verlust einer hoffnungsvollen Gesellschafts- Alternative führte.

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