Arbeitsrichtung EDVA (Gerätetechnik und Maschinenorientierte Software)

Autor:  H.-Georg Jungnickel

1.Zusammenfassender Überblick zum Verlauf der EDVA- Entwicklungen bis 1990
Die entwicklungsseitige Verantwortung für die Haupterzeugnislinie EDVA lag seit
Gründung des Betriebes ELREMA kontinuierlich in Karl-Marx-Stadt -später also bei „E 2"- und blieb bis zur Auflösung des Kombinates unverändert. Durch hohe technische Professionalität und enge Kooperation innerhalb und außerhalb Robotron sicherte E 2 den Bestand der EDVA-Linie und gemeinsam mit dem Team des Fertigungsbetriebes in Dresden-Gruna die außerordentlichen Exportgewinne dieser Haupterzeugnislinie, die vorrangig in Kennziffern des Dresdner Stammbetriebes und in den Kombinats-zahlen ihren Niederschlag fanden. Tausende Arbeitskräftejahre wurden F/E-seitig in diese Haupterzeugnislinie investiert und mit hoher Rentabilität refinanziert.Das FG Geräte E 2 konnte eine hohe de facto Stabilität seiner Leitungsstruktur bis 1990 sichern, das betrifft auch die Phase als WTZ ab 1989.Ab 1986/1987 war der Rückgang des Status der ESER-EDVA-Linie bei Robotron unumkehrbar geworden. Die aktuellen Umstände dieser Phase wurden bei E 2 als ideologisch gesteuerte Fehlorientierung verstanden. Abgeleitet aus einer massiven und kurzsichtigen Fehleinschätzung zum Gewicht der 32-Bit Technik bei Robotron selbst, aber vorrangig im Bereich des Ministeriums Elektrotechnik/Elektronik und der zustän­digen Fachabteilung des ZK der SED und zu deren technologischer „Perspektive" unter den Bedingungen der DDR-Wirtschaft. Intensivste, vielfältige Argumentationen und Interventionen des Managements und des Teams von E 2, sowie wichtiger EDVA-Anwender fanden keine entscheidende Unterstützung in Berlin.Als Konsequenz aus der immer stärkeren Konzentration des Dresdner Raumes auf die 32-Bit-Technik analog DEC- VAX 7XX arbeitete ab Ende 1988 der Bereich E 2 gemeinsam mit den F/E-Kapazitäten des Buchungsmaschinenwerkes als „Wissenschaftlich-Technisches Zentrum" des VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt („WTZ"), nachdem das Engagement des Bereiches Karl-Marx-Stadt für die ESER-EDVA, ihre außer­ordentliche Export -Effektivität und Rentabilität und deren Verbreitungsgrad in der DDR deren schleichende Demontage im Produkt- Portfolio des Kombinates Robotron nicht verhindern konnte. Diese Neuordnung der Leitungsorganisation zu BWK hatte aber auf die Betreuung der Erzeugnislinien EDVA und Newa keinen Einfluss.Die absolute Fehlbilanz der in der DDR/Robotron praktizierten Rechner-Architektur-entwicklungen führte 1989 wegen der Unmöglichkeit der parallelen Bilanzierung der ESER-EDVA und der 32-Bit-Rechner zu starken Einschränkungen der Bilanzierung des F/E-Planes bzgl. weiterer Geräte-Entwicklungen auf dem EDV-Gebiet. Die Kern-Kapazitäten der ESER-EDVA wurden in einer Art Überwinterungsstatus gehalten.Rückblickend konzentrierten sich die EDVA-Entwicklungen nach dem sehr erfolgrei­chen Start mit EC 1040 (Reihe 1) vorrangig auf funktionelle Eigenschaften der sog. Reihe 2 und Reihe 3 des ESER analog IBM/370, tw. auch IBM 4300 u.a., wie MVS -Fähigkeit, Mehrprozessorarbeit, Diagnosequalität und technische Verfügbarkeitsparameter u.a., sowie die Nutzung der verfügbaren LSI-Speichersortiments, neuer Stromversorgungskonzepte u.a.. Das technologische Umfeld der RGW-Wirtschaft ermöglichte keine grundsätzliche sinnvolle technologische Innovation des Grundkonzeptes [1] .Da diese Lage in allen RGW-Ländern analog war, gelang es der E 2-Mannschaft, die Robotron -EDVA immer im Spitzenfeld des Marktangebotes zu halten. Bezogen auf das (theoretische) Exportkonzept des Kombinates war die ab Ende 1987 verfügbare EC 1057 im Umfeld der UdSSR-Maschinen und unter RGW-Bedingungen ohnehin „State of the art" und wäre solange exportierbar gewesen, wie kein Technologie-Sprung in der UdSSR erfolgt wäre, nach Lage der Fakten also noch meh­rere Jahre. Darauf gründete sich ein gewisses Überwinterungskonzept ( s. u.) für das EDVA-Kernpotential.Als weitgehend unabhängige „Produktlinie" entwickelte sich im ESER –EDVA -Sektor die Bereitstellung einer Reihe moderner, leistungsfähiger Betriebssysteme , die gemeinsam mit der UdSSR-Leitorganisation NIZEWT entwickelt wurden und das ESER -Leistungsangebot von Robotron stark verbesserten.Zwecks Überwindung der skizzierten technologischen Sackgassen-Situation wurden 1986 nach mehreren technologischen Zwischenkonzepten ( wie etwa TTL/ECL -Mischvarianten) die Arbeiten an ESER -Zentraleinheiten der Reihe 4 auf Basis einer CMOS -Gate Array-Technologie (CMOS GA U 5300 ) aufgenommen, die nach Lage der Dinge im Mikroelektronik-Programm der DDR bilanzierbar war.Als gewisser Zwischenschritt wurden erste CMOS GA, welche mit dem Entwurfssystem für ESER 4 entworfen waren und im ZMD Dresden produziert wurden, 1989 in Funktionsmustern eines modernen 16 Bit ESER-PC (IBM PC AT) eingesetzt.

2. Kurze Entwicklungsgeschichte des FG E2

1957 wurde der „Wissenschaftliche Industriebetrieb VEB Elektronische Rechen­maschinen" (ELREMA) in Karl-Marx-Stadt als einer der ersten Einrichtungen zur Verwirklichung der Struktur-Politik der Wirtschaft der DDR auf dem Sektor der Infor­mationsverarbeitung gegründet.1964 erhielt die EDVA -Linie mit dem PR- und MR -Beschluss vom 23.06.1964 / 03.07.64: "Programm von Maßnahmen zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung in der DDR in den Jahren 1964 bis 1970" starke strategische Wachstumsimpulse. Im Komplex mit ELREMA wurden auch wesentliche Investitionen in die Zulieferindustrie (z.B. Halbleiterwerk Frankfurt, Steckverbinder- und Leiterplattenwerk Gornsdorf u.a. ) gestartet, was in der Folge ein Hauptgrund für die hohe Qualität, Liefertreue, Innovationskraft und geringe Kooperationsabhängigkeit von Importen des EDVA -Sektors der DDR im Zeitraum bis ca. 1983/1985 war.Die erste industrielle Entwicklung - eine EDVA R 300 - war als „rein nationales" Produkt für den DDR-Binnenmarkt gedacht, systemtechnisch orientiert an einer IBM 1400-Architektur. Ihre Produktion in Radeberg vermittelte allen Beteiligten das Gefühl an die besonderen Anforderungen einer qualitätsgerechten und technologisch tragfähigen Produktion.1967/68 wurde auf Regierungsebene immer deutlicher, dass nur enge Kooperations-beziehungen der Länder des Warschauer Blockes die erforderlichen Wachstums und Entwicklungsgrundlagen der RGW-Volkswirtschaften eröffnen können.

Im Rahmen der Axiome des sozialistischen Staatenblockes :


> Planwirtschaft,
> nicht konvertierbare Währung ( und keine Partizipierung an der weltweiten Arbeitsteilung )

> Verrechnungen des Handels auf Basis des sog. Transferablen Rubel (TR)  ,
> ideologische Abgrenzung gegenüber dem „Klassengegner",
> Sicherung einer vom Westen unabhängigen technischen Politik,

> enge Ausrichtung am Bedarf des Hauptmarktes UdSSR

war die Gründung der „Mehrseitigen Regierungskommission Rechentechnik der
sozialistischen Staaten" der einzig sinnvolle Weg zur Schaffung eines leistungsfähigen Systems von EDVA für den RGW-Bedarf.

Die beteiligten Industriezweige der Rechentechnik/Datenverarbeitung aller RGW-
Staaten (außer der UdSSR-Industrie selbst) verstanden den RGW-Marktraum mit der UdSSR als Hauptgewicht als ihren „geschlossenen Markt", dessen qualitätsgerechte Bedarfdeckung die Basis der eigenen Entwicklungsperspektive sein musste. Nur dadurch konnte ein gewisser Gegenpol zu den Möglichkeiten führender westlicher Konzerne im Markt des gesamten westlichen Wirtschaftsraumes entstehen, wirtschaftliche Stückzahlen zu produzieren! [2]
Der Start der DDR in die Spezialisierung des Informations-Verarbeitungsmarktes ist
eng mit Karl-Marx- Stadt/ Chemnitz verbunden, gestützt durch intensive Regierungskontakte.Im Vorfeld der Gründung der MRK RT 1968 waren es nicht nur Fachleute des VEB ELREMA, die bereits 1967 die Systemkonzeption für eine IBM-kompatible EDV-Familie erarbeiteten und gegenüber der UdSSR vertraten. 1968 fanden in einem Betriebsteil der ELREMA in Erdmannsdorf auch die entscheidenden bilateralen Gespräche zwischen führenden Vertretern des "Ministeriums für Radioindustrie der UdSSR" und DDR-Spezialisten zu Fragen einer Entwicklungskooperation bei EDVA und deren Architektur-Fixierung statt. Die DDR-Seite konnte dazu neben systemtechnischen auch überzeugende praktische Erkenntnisse präsentieren. Im gleichen Jahr wurde die weit reichende Entscheidung zur Orientierung an der Systemarchitektur des ESER, analog IBM System 360 getroffen.1969 wurde das multinationale „Mehrseitige Regierungsabkommen Rechentechnik" geschlossen, innerhalb dessen sich DDR-seitig die Linie der ESER-EDVA zur wirtschaftlich wichtigsten Produktsäule entwickelte. Fachleute des FG E2 verantworteten seitens der DDR im Rahmen der Spezialisten-arbeit des Rates der Chefkonstrukteure ESER von 1969 bis 1990 die Systemarbeit zum ESER und die EDVA -Entwicklungsarbeit, mit Schwerpunkt Zentraleinheiten und OS-ES-Betriebssysteme. Die DDR -seitigen Teile der Spezialistenräte des Rates der Chefkonstrukteure des ESER (mit geringfügigen Ausnahmen) wurden während der gesamten Zeit bis 1990 von Spezialisten und Managern der Organisationsstruktur E 2/ WTZ geführt, wie auch der überwiegende Leistungsinhalt der technischen Kooperationsarbeit durch E2-Fachleute gemeinsam mit weiteren Fachleuten der Kombinate Robotron, Carl Zeiss, Mikroelektronik und weiterer Bereiche der DDR-Industrie erbracht wurden. Der Direktor des FG E 2/WTZ von 1981 bis 1990, H.-G. Jungnickel, leitete in dieser Zeit als Chefkonstrukteur der DDR im ESER und Mitglied des DDR-Teiles der Mehrseitigen Regierungskommission Rechentechnik in Personalunion diese umfangreiche Arbeit.

3.Arbeitsinhalte und Besonderheiten bestimmter Etappen

Seitens ELREMA wurden im Robotron -Vorfeld bedeutsame Arbeiten zu den EDVA -Linien R 300 (analog IBM 1400) und R 21 geleistet.Bzgl. der Produkt-Orientierungen der ESER -Phase wurde in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) bis 1990 an der Entwicklung mehrerer Modelle von ESER-EDVA (Zentraleinheiten, Bedieneinheiten, ausgewählter ESER- Peripherie, wie Terminal-Subsysteme EC 7920, ESER -Operationssysteme) sowie an technologisch verwandter Technik (z.B. Linie NEWA, Matrix-Spezialrechner) gearbeitet und deren erfolgreicher Fertigungsüberleitung in Robotron- Produktionsbetriebe, vorrangig den Robotron Elektronik Dresden, gesichert.Die Betriebssysteme für Inlandsbedarf wurden von den Vertriebsbetrieben Robotron geliefert, ebenso erfolgte die Komplettierung der Exportanlagen mit OS-ES.
Bezogen auf die EDVA -Linie erbrachte E2/WTZ nach 1969 die Kernarbeiten des
ESER:
>Reihe 1          EC 1040,
>Reihe 2          EC 1055, EC 1055M, EC 1056
>
Reihe 3          EC 1057
>
Reihe 4          EC 1150  umfangreiche konzeptionelle Entwurfs- und technologische Arbeiten zum Prozessor und dem EDV-System.
Das FG Geräte E2 war für alle Robotron- EDVA der komplexe Thementräger, d.h. verantwortlich für die Entwicklung der Hardware, der Operationssysteme der Elektronischen Datenverarbeitungs- Anlagen (EDVA) und ausgewählter Peripheriesubsysteme und leistete wesentliche Teile der ESER- Systemarbeit.

 

Grundsätze der Entwicklungskultur und Produktpolitik der Erfolgsgarant von Robotron,
über alle o.g. Phasen,
vorrangig im Export,  waren
:
>
Sicherung der Programm-Kompatibilität der EDVA gemäß im ESER abgestimmtem Original-Operationsprinzipien des Prototyps;
> durchgängige Beherrschung aller Prozess-Schritte der Entwicklung vom Systemkonzept bis zur logischen Prüfunterlagen-Herstellung durch eigene Fachleute und mit eigenen Entwurfs- und Entwicklungssystemen.
>strikte Einhaltung der „Allgemeinen technischen Bedingungen des ESER", incl. Einsatzes einer 100%-RGW-Bauelemente-Basis in der Serienfertigung,
>E/A-Interface-Stecker -Kompatibilität
 
>Erfüllung aller Grundforderungen der ESER -Basiskonstruktion (auf eigenständige Montage- und Wartungsfähigkeit orientiert),
>
Nachweis der Lager- und Transportklassen des ESER (sehr nahe zu analogen Militärstandards der UdSSR),
>maximaler Einsatz modernster DDR-Technologie, bei Verträglichkeit mit den „Allgemeinen technischen Bedingungen",
>nachgewiesene 100% Kompatibilität mit vergleichbaren IBM-Betriebssystemen !

E2 konnte bis 1990 eine hohe Stabilität seiner Arbeitsergebnisse sichern, einschließlich der Zeit ab 1989, als der Bereich als „Wissenschaftlich-Technisches Zentrum" des VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt („WTZ") firmierte.
Im Rahmen der Systemintegration war es ab Start des ESER/Reihe 1 auch typisch, dass Spezialisten des FG E2 mit Partnern des Kombinates Zentronik und Carl Zeiss
eng zusammenarbeiteten, wie z.B. zum Paralleldrucker EC 7031 oder dem MB-Gerät EC 5017, aber auch im Anwendungsbereich beim Matrix- Prozessor oder dem Vermittlungssteuerrechner NEWA.

Etappe ab 1978

Zusätzlich zum ESER -Hauptprofil wurde das FG E 2 im Rahmen des „Erzeugnisprogramms der dezentralen Datentechnik" (DEKK) beginnend ab 1978 auch stärker in Themenkreise der „kleinen Technik" eingebunden. Hauptziel des DEKK war ein einheitliches System der Datenerfassung und Datenverarbeitung durch systemtechnische Integration der Produktlinien der Betriebe des (ehemaligen) Kombinates Zentronik. Bei E2 erfolgte neben dem Terminalsystem EC7920 und den Bedieneinheiten der Zentraleinheiten(EC 7069 und Nachfolger ) z.B. die zentrale Monitor-Entwicklung für alle Robotron- Betriebe oder später die Entwicklung von graphischer Peripherie. Diese Arbeiten wurden planmäßig „bilanziert" und hatten in dieser Etappe wenige Auswirkungen auf die Erfüllung des ESER- Hauptentwicklungs- Programms des FG.
Etwa zeitgleich mit Beginn der Arbeiten an IBM-kompatiblen Personalcomputern im
ESER (ca. 1985) verstärkte auch E2 diese Produktlinie, ohne diese alternativ zu EDVA zu betrachten bzw. zu bilanzieren.

Etappe ab 1985

Unter den führenden Köpfen des FG E 2 wurde nach Abschluss der Entwicklungs- Überleitung der EC 1055M-einer Modernisierung 1. Grades der EC 1055 (Reihe 2)-zielstrebig daran gearbeitet, mit dem nächsten Modell eine „echte" ESER 3-Maschine mit einem gravierenden Leistungs-Sprung zu konzipieren. Daran arbeiteten in gleicher Weise auch die Entwickler des NIZEWT, denn diese Zielstellung war volkswirtschaftlich dringend.Ein derartiger Leistungssprung war lediglich mittelfristig durch extrem schnelle ECL -MSI-Schaltkreistechnik denkbar. Das war allerdings nur mit enormem Aufwand für konstruktiv-technologische Lösungen im Bereich der Kühlung der Steckeinheiten und Paneele erreichbar. Dieser Ansatz musste gekoppelt werden mit der Verringerung der „Kupferlaufzeit", was einen keramischen Zwischenträger mit grundsätzlich neuer Kühlung bedingt hätte. Erschwerend wirkte dabei, dass die Verarbeitungsstruktur für ESER -Operationsprinzipien leistungsfähiger Maschinen (64 Bit) einen großen Hardwareaufwand erfordert.
Dieses
ECL- MSl Konzept war in der Realität des RGW-Wirtschaft nicht nur sehr anspruchsvoll und komplex, sondern wirtschaftlich nicht vertretbar, weil eine nur für EDVA geeignete Technologie in der DDR keine Refinanzierung sicherte. Auch hatte dieser bipolare Lösungsansatz im Lichte der großen Chancen, die weltweit bei CMOS erkannt waren und bereits bearbeitet wurden, keine längerfristige Zukunft.
Sowohl eine ECL -Nachfolge- Variante, wie auch eine ECL/TTL-Variante,
wurden daher bei uns für ESER 3 nicht weiter verfolgt.
Mit Forcierung der Arbeiten in der DDR an VLSI-CMOS - Technologien wurde daher
bei E2 auf dieses hochintegrierbare, leistungsarme und gut auf kleine Strukturbreiten skalierbare Bauelemente-Konzept (CMOS -gate arrays) als Basis für eine echte Nachfolge der ESER-EDVA gesetzt und dafür umfangreiche Vorarbeiten betrieben. Allerdings war der Zeitplan der CMOS -Linie für die Produktionsdauer der EC 1055M  kritisch.
Da in der UdSSR analoge Konzeptionsprobleme um einen echten technologischen Nachfolger bestanden[3] , wurde aus planungspolitischen und Marketinggründen im ESER die Entwicklung einer Reihe von „Zwischenmodellen“ - eine „Modernisierung zweiten Grades" - beschlossen. Als Nachfolgemodell zur EC 1055M entwickelte die DDR die EC 1056, die UdSSR die EC 1036, EC 1046 u.a..

Die durch Beschlüsse in der DDR ausgelöste Konzentration auf die sog. „32-Bit-Tech-nik"(d.h. Programm analog VAX 780 der Firma DEC für CAD/CAM-Anwendungen) im Dresdner Raum beeinflusste die Arbeit der Karl-Marx-Städter in dieser Phase zunehmend. Die zunächst praktizierte Parallelität zwischen ESER und 32-Bit Technik führte auch zu großen Kapazitätsengpässen in der DDR-Zulieferindustrie sowie zur extremen Verknappung der ohnehin unzureichenden Robotron- eigenen Technologie- und Werkzeugbaukapazitäten, aber auch zu Einschränkungen der EDVA- orientierten Anwendungssoftware- Entwicklung im Bereich Dresden u. a. m.

Es fiel daher zunehmend schwerer, die hohen technischen Anforderungen an eine
echte neue Produktgeneration der ESER-EDVA (Basis : CMOS-LSI gate array, neues Steckverbinder-/Leiterplattensystem, Multichip-Modul-Keramikträger u.a.) in den Plänen zu bilanzieren, zumal andere profilbestimmende Industriezweige der DDR (Werkzeug- und Textilmaschinen-Bau, Anlagenbau u.a.) großen Druck auf die Bauelemente- Zulieferindustrie machten, allerdings systemtechnisch nicht kompatibel dazu.
Einfach gesagt: die technische stark divergierende Politik vieler weltweit führenden
Firmen, deren Profil in der DDR-Industrie vertreten war, sollte in der kleinen DDR-Industrie „nachentwickelt" werden! Die neue EDVA -Generation des ESER (ESER IV) brauchte daher ein verschobenes Zeitfenster. Zum Ansatz gehörte auch, einen gewissen technologischen Fortschritt der CMOS-Technologie bis etwa 0,6 µm -Strukturen zu nutzen, um die großen technologischen und wirtschaftlichen Aufwendungen für Multichip-Modul Keramikträger
zu relativieren oder zu umgehen[4].

Das Arbeitsprofil des FG E 2 /WTZ wurde daher zunächst verstärkt auf solche System- und Produktentwicklungen, wie z.B. die IBM-kompatiblen ESER- Personalcomputer EC 1834 (1988, EC 1834.01(1989) und den IBM PC AT kompatiblen EC 1835 (1989) umgestellt. Die Hauptüberleitungspartner waren die Robotron- Betriebe VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt und der VEB Büromaschinenwerk Sömmerda. Dabei trug E 2 im Verbund mit den FuE-Bereichen der o.g. Betriebe die Systemverantwortung und einen hohen Anteil der Entwicklung.
Im Ergebnis der immer stärkeren Konzentration des gesamten Dresdner Raumes (Entwicklung, Technologie, Produktionskapazität, Finanzcontroling ) auf die 32-Bit-Technik war daher die Vereinigung des Karl-Marx-Städter Betriebsteiles E 2 mit dem Betrieb VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt eine zwangsweise Folge, um ein gewisses Gleichgewicht der Versorgung der großen Robotron- Produktionsbetriebe mit leistungsfähiger F/E-Kapazität zu ermöglichen und andererseits dem Team des FG2 eine seinem Ingenieur-Potential und Erfahrungen
entsprechende Perspektive zu erhalten.

Die Produktlinie der ESER-PC gestaltete sich extrem schnell zu einem Kristallisationskern für die genannten Großbetriebe in Chemnitz und Sömmerda. In der gesamten DDR-Wirtschaft wurde darüber hinaus die Orientierung auf die INTEL- Prozessorfamilie I/286 und nachfolgend I/386 sehr stark unterstützt und zur Basis weit reichender Pläne. Man hoffte auf eine so genannte Ablösung der enorm zugenommenen Importe durch DDR- eigene Produkte mit geringerem Valutabedarf. Die extrem hohen Bedarfszahlen nach echt IBM- kompatiblen PC aus fast allen Bereichen der Industrie und der Volkswirtschaft bestärkten uns in der Überzeugung, dass unsere  INTEL- basierte Prozessorlinie für die EC- PC auch zentral mit höchster Priorität in die Planbilanzen eingeordnet werden würde !
Die Funktionsmuster des o.g. EC 1835 wurden im Herbst 1989 erfolgreich mit eigenen Prozessor-SK und einigen hochintegrierten CMOS-Gate Array- der Serie U 5301
erprobt)[5]
Im mittelfristigen Plankonzept E2 war aber  auch im Frühjahr des Jahres 1989
nicht vorgesehen, die Entwicklung von ESER-EDVA mittlerer Leistung aufzugeben. ( Hier wird leider in manchen anderen Publikationen eher ein gewisses Wunschdenken deutlich). Vielmehr bestand das Grundkonzept der Leitung des WTZ Chemnitz darin, der Stabilisierung der neuen CMOS-Basis U5301 der künftigen EC 1150 zunächst durch den Einsatz von 3 Typen U5301 im IBM PC-AT-kompatiblen PC EC1835 einen kräftigen Impuls zu verleihen und einen neuen Bilanzierungsfreiraum durch das hohe Gewicht der EDVA- Exporte und von ESER-PC und deren Anwendung in allen strategischen Positionen der DDR zu erlangen.
Dieses Konzept war jedoch spätestens ab März 1990 bekanntlich politisch nicht mehr aktuell.

4.    Organisationsplan des FG E2

Das FG hatte einen Organisationsplan, der dem eines kompletten F/ E-Betriebes entsprach und für die ca. 1350 Mitarbeiter (Stand bis 1988) bzw. ca. 2450 Mitarbeiter (Stand WTZ ab 1989) eine wirkungsvolle Führung ermöglichte.
Als territorial selbstständige Einheit hatte E 2 eigenständige Betriebsgewerkschafts -
und Betriebsparteiorganisationen.
Die Organisation des FG war komplex auf den Entwurf, die Entwicklung der Geräte, die Entwicklung von Kernbetriebssystemen der EDVA und die ESER -Systemarbeit ausge
richtet. Alles dafür Erforderliche, mit Ausnahme bestimmter Teile der Fertigungs-Prüftechnik und des Werkzeugbaus für die Serienproduktion, war bei E2 als System organisiert und in Eigenregie verfügbar , d.h. unterlag der komplexen E2-Planung. Prozesse, die nicht EDVA -typisch waren und im Wesentlichen die „Gerätetechnik-Entwicklung auf dem Peripheriesektor" betrafen, konnten von diesem System weniger profitieren und wurden im FG weitgehend  parallel geplant und bilanziert.
Die Arbeiten an ESER-PC hingegen wurden in den traditionellen Kernbereichen für EDVA-Arbeiten erbracht, sie konnten und sollten damit weitgehend die hochgradige Professionalität und Arbeits-Systematik des EDVA- Systementwurfes nutzen.

Erläuterungen:
Im Fachgebiet E2 arbeiteten bis zum Zeitpunkt der Bildung des WTZ (1989) ca. 1300 Mitarbeiter;
nach Vereinigung mit den Entwicklungs-, Technologie- und Werkzeugbau-Kapazitäten des VEB Buchungsmaschinenwerk wurde eine erweiterte Fachstruktur gebildet und die E2-Strukturinhalt blieb weitgehend ohne Änderungen erhalten. Ab 1989 arbeiteten im WTZ ca. 2450 Mitarbeiter.
Alle grau unterlegten Fachbereiche arbeiteten unter Leitung der ZE -Komplexthemen vorrangig an Aufgaben der Zentraleinheit bzw. ESER- EDVA- Kernaufgaben. Betriebssystem-Entwicklungen hatten eigene Komplexthemen, waren aber eng verzahnt.

[1] In dieser problematischen Situation befand sich Anfang der 90ger Jahre auch die bekannte Firma Siemens, die den Schritt von einer ECL- Technologie ( BS 2000/H90, /H100 ) zu einer tragfähigen perspektivisch wirtschaftlichen Technologiekonzeption bei Mainframes nicht bewältigte.

[2] Wie sich im Rückblick zeigt, konnte dieses Konzept im ESER I / ESER II bis Anfang der 80ger auch relativ gut umgesetzt werden, danach reduzierte sich die Nutzbarkeit der arbeitsteiligen Spezialisierung immer stärker, vorrangig aus handelspolitischen Gründen.

[3] zu diesem Zeitpunkt hatten sich die bilateralen Arbeitsbeziehungen des DDR- Teiles des RCK ESER mit dem Generalkonstrukteur des ESER und Generaldirektor des NIZEWT und seinen Mitarbeitern sehr kollegial und vertrauensvoll entwickelt. Der Autor dieses Abschnittes kann daher die o.g. Feststellungen mit detaillierter Sachkenntnis treffen. Die Entwicklung der IBM-kompatiblen Computerindustrie in Russland nach 1990 bestätigt das zusätzlich.

[4] Die Beherrschung kurzer Signallaufzeiten in den Prozessor- Strukturen generell, speziell aber einer EDVA ist bei der erforderlichen geringen Taktzeit immanent wichtig, da die Signal-Laufzeiten auf den Verbindungsleitungen die Schaltzeit eines Gatters im Chip sehr schnell übersteigen können , sofern Leitungswege nicht extrem kurz bleiben. Daher ist es nur durch VLSI- Konzepte möglich, eine absolut kompakte Konstruktion auch ohne sehr aufwendige Muttichip-Zwischenträger und Kühlsysteme zu realisieren, um akzeptable Prozessorleistungen zu erzielen.

[5] Siehe u.a. Heft 2-1990 der Zeitschrift „Rechentechnik und Datenverarbeitung" / ISSN 0374-2385/ Verlag: Die Wirtschaft