(persönliche Erinnerungen von V. K. Lewin , Akademiemitglied der RAdW
Übersetzung : Dr. G. Jungnickel
|
Aus der Biografie von Vladimir Konstantinowitsch Lewin (siehe
Originalquelle)
In den Jahren 1966–1967
leitete Vladimir Konstantinowitsch Lewin in der UdSSR das
Vorprojekt [Skizzenprojekt] zum System "Reihe" «Ряд» ),
welches ab 1968 als Einheitssystem der Elektronischen
Rechenmaschinen ( ESER; Единая система
ЭВМ) bezeichnet wurde. V. K.
Lewin wurde im Zusammenhang mit den Arbeiten zum ESER 1968
mit einen Teil der Mitarbeiter des KBPA (КБПА)
[Konstruktionsbüro für Industrieautomatisierung ] in das
neugegründete NIZEWT versetzt, wo er bis 1976 die Funktion
des Stellvertreters des Generaldirektors für Wissenschaft
ausübte. Als Erster Stellvertreter des Generalkonstrukteurs
des ESER betreute er die Entwicklung von
Hochleistungsrechnern, der Betriebssysteme, die
Zusammenarbeit mit den Teilnehmerländern der MRK und die
Einführung des ESER in Automatisierungssysteme und in die
Informationsversorgung unter Einsatz von Mitteln der
Fernverarbeitung.
Von 1976 bis 1995 war er Direktor des KBPA, welches 1978 in
das Forschungsinstitut "Quant" (NII
"Quant" ;НИИ «Квант») umgebildet wurde (heute im Verbund
der Russischen Regierungs-Agentur für Steuerungsprobleme
RASU (РАСУ)). Er war Chefkonstrukteur von drei Generationen
von problemorientierten Systemen mit massiver Parallelität,
welche auf LSI- und VLSI - Schaltkreisen aufgebaut waren, im
NII "Quant" entwickelt wurden und die die höchsten
Leistungsparameter in der einheimischen Praxis
erreichten: 100 Mio Op/s., 1 Mrd. Op/s. und mehr als 10 Mrd.
Op/s.. Sie wurden entsprechend 1982, 1986 und 1995 in
Betrieb genommen .
Im Prozess dieser Arbeiten
wurde gemeinsam mit dem IPM "M. V. Keldysch" der RAdW
auf Basis der Mikroprozessoren Intel 860 und von Transputern
von 1993 bis 1995 das erweiterbare Multiprozessor- System
MVS-100 ( МВС-100) geschaffen, welches in einer Reihe von
Organisationen Russlands eingesetzt wird. Von 1996 bis 1999
wurde unter Leitung von V. K. Levin auf Basis des µP
Alpha DEC ein Rechnersystem einer neuen Generation
geschaffen - das System MVS-1000. Derartige Systeme werden
mit einer Leistung bis 200 GOPS. betrieben, an einer
Erweiterung der Leistung bis zu 1 TOPS wird gearbeitet.
|
Vorwort und zur Übersetzung: |
- Der
Artikel stellt eine Erinnerungen des ersten
wissenschaftlichen Direktors des NIZEWT zur Entstehung
des ESER dar. Soweit bekannt waren sie bisher in deutscher/
englischer Fassung nicht verfügbar.
V. K.
Lewin war persönlich ab 1966 an vielen Arbeits- und
Entscheidungsprozessen jener Zeit zum ESER direkt beteiligt.
Seine Darstellungen zur Gründungszeit sind daher ein
wertvoller Beitrag, der im Vergleich zu den Darstellungen
von V. V. Prschijalkowskij ( siehe z.B.
Historischen
Abriss des Generalkonstrukteurs des ESER
) manche Nuancen
zusätzlich erhellt. V. Lewins Darstellungen zur Geschichte
der UdSSR-internen Entscheidungen zur Auswahl des Prototyps
/360 und weitere historisch bedeutsame Eckpunkte im
Abschnitt
Vorprojekt und Entscheidung zur Architektur
stimmen bemerkenswert mit
den Darstellungen von V.V. Prschijalkowskij überein und
erhärten diese.
- Vorwegnehmend sei auf die wichtige Aussagen
im Text (
Orientierung_auf_IBM
)verwiesen, dass die dominierende Verfügbarkeit von
IBM-Dokumentation in der UdSSR den entscheidenden
Ausschlag für die Prototyp- Entscheidung der UdSSR gab
-Im
Artikel werden meist russische Abkürzungen nur durch
lateinische Buchstaben ersetzt. (.. ) bezeichnen i.d.R.
eine kyrillische Abkürzung.
-In [ ]
sind Bemerkungen /Erläuterungen des Übersetzers eingefügt.
Inhaltsverzeichnis
Vorprojekt_
NIZEWT
Ergebnisse
Literaturnachweis
|
Abriss zur
Entstehung des Einheitssystems der EDVA
Autor: V. K. Lewin , Akademiemitglied der RAdW
|
In den Jahren
1965–1966 wurden die Entwicklungen der einheimischen
Universal- Rechner der 2. Generation (Transistor/-Dioden
Basis) abgeschlossen und es begann deren Einführung in die
Anwendernutzung:
BESM6 (БЭСМ-6) (staatl.
Prüfungen – 1967), Vesna ("Весна") (staatl.
Prüfungen-1964), М-220, Ural ("Урал"), Minsk ( "Минск"),
Rasdan ("Раздан") , sowie einer Reihe Kleinrechner
[Steuerrechner, Prozessrechner]. Hier sind die
zusätzlichen Ziffern- Indizes der Rechner nicht angegeben,
die verschiedene Modifikationen und deren "Stammbaum" aus
der 1. Rechnergeneration (Röhren) bezeichnen; auch die
Vorgeschichte der Maschinen der 1. und 2. Generation wird
hier ohne besonderen Grund nicht erörtert. Die Termine der
Beendigung der Arbeiten an Rechnern der 2. Generation
verzögerten sich und obwohl es bis zu ihren stabilen
Einführung noch einigermaßen weit war, war ein aktives
Interesse an neuen Entwicklungen deutlich spürbar.
Man kann nicht direkt sagen, dass die Anwender präzise ihre
Unzufriedenheit bei der Lösung praktischer Rechenaufgaben
benennen konnten - auf verschiedenen Anwendungsgebieten
sprach man allgemein über die Aktualität der Rechentechnik -
aber zu dieser Zeit, wie auch später gelang es nicht, ein
konkretes Problem zu bezeichnen, um die Rechentechnik
auf den ersten Platz [einer volkswirtschaftlichen
Prioritätenliste] zu stellen. Es existierten andere nicht
weniger wesentliche Schwierigkeiten und Hürden. Zu dieser
Zeit begannen die Aktivitäten zur Entwicklung
automatisierter Leitungs- Systeme (ASU): im Jahre 1966 wurde
von der ZSU [Zentralverwaltung f. Statistik] und dem
Ministerium für Radioindustrie das "Vorprojekt eines
staatlichen Netzes von Rechenzentren" erstellt, aber darin
wurden keine konkreten Schlussfolgerungen zur Entwicklung von
Rechnern abgeleitet. Unter den verschiedenen
westlichen Entwicklungen wurde nur die neu erschienene Serie
von Rechnern des "Systems 360" der Firma IBM aufmerksam
analysiert und bewertet. Denjenigen, die sich mit
Hochleistungs- Rechnern befassten, gefiel der Rechner CDC-6600
außerordentlich –das war der Vorgänger der Rechnerserien Суber
und Cray. Die Artikel über das Solomon-
Projekt beeindruckten unsere Vorstellungen. Das Projekt schlug sich ja später im
Super-Rechner mit massiv- paralleler Struktur Illiac-IV
nieder ( später kam dafür auch der Begriff "Supercomputer" auf).
Viele Jahre überragte das System bzgl. seiner Leistung alle
anderen, obwohl nur ein Exemplar existierte.
Im Volkswirtschaftsplan 1966 erschien die Formulierung, dass
mit "Übergang ins Jahr 1967" ein Vorprojekt für Forschungs-
und Entwicklungsarbeiten "Ряд" [Reihe] zu bearbeiten
ist, dessen Inhalt war die "Entwicklung eines Komplexes
typisierter hochzuverlässiger Datenverarbeitungs- Rechner
mit einem Leistungsspektrum von 10 T OP/s bis 1 Mio OP/s,
aufgebaut auf einheitlicher Struktur und
mikroelektronischer technologischer Basis und mit kompatiblen
Programmiersysteme für Rechenzentren und automatisierte
Informationsverarbeitungssysteme". Zweifellos hatte an
dieser ausgezirkelten Formulierung M. K.Sulim (1924–2000)
seinen Anteil, damals Chef der Hauptverwaltung, zu der die
Betriebe der Radioindustrie gehörten, die sich mit
Rechentechnik befassten. Ein Jahr später führte eben
er die durchaus passende Bezeichnung "Einheitssystem von
EDVA" ein ( damals gab es eine solche Mode -
Einheitssystem (EC) der Konstruktionsdokumentation, EC der
Rechenzentren, EC der Messtechnik , man konnte auch noch die
Abkürzung dazwischenstellen "staatliches" (Г)
" , "automatisiertes" (A) oder "Netz" (C), dann ergab
z.B. das "ЕГС" oder "ЕАС", für "Einheitliches
staatliches System" oder " Einheitliches automatisiertes
System").
Leitorganisation zum Vorprojekt wurde das "Institut
für Präzisionsmechanik und Rechentechnik" (IPMuRT; ИТМиВТ),
geleitet von AM S. A. Lebedew (1902-1974 ), als
Mit-Autoren durften sich alle beteiligen, die das wünschten.
In Erfüllung des Planes erstellte das IPMuRT einen Bericht
auf ca. 50 Seiten, auf denen die erforderlichen Arbeiten zur
Vorbereitung der "OKR" der Entwicklungs- und
Konstruktionsarbeiten des Vorprojektes "Reihe" dargestellt
waren. Im Bericht wurde gebührend dargestellt, dass
das System/360 der Firma IBM aus einer Reihe
programmkompatibler Rechner besteht, auf Hybridschaltkreisen
aufgebaut ist und zur 3. Generation gehört, dass es schon vor 1
Jahr erschien und dass es viele ausländische Publikationen
zu dessen revolutionärem Konzept gebe. Aber es wurde Skepsis
zu den strukturellen Lösungen des "Systems /360" und
generell zur Konzeption der Programmkompatibilität geäußert.
Der gesamte Ton des Berichtes war einigermaßen "schlaff".
Sogar auf ernsthaften offiziellen Erörterungen am Jahresende
1966 existierte keinerlei zusammenpassender und
überzeugender Standpunkt dazu, wie die "Reihe" zu bauen sei.
Man spürte, dass die leitenden Spezialisten des IPMuRT und
anderer Organisationen voll mit der Produktions- Überleitung
ihrer Rechner der zweiten Generation und ihrer Einführung in
die zu schaffenden Automatisierungssysteme beschäftigt
waren. Jeder der Entwickler der einheimischen EDVA
betrachtete seine Konzeption ( der zweiten Generation) als
bei Weitem noch nicht ausgereizt und geeignet für eine
Weiterentwicklung.
Weiter als alle anderen bzgl.
einer kompatiblen Reihe von EDVA ( wenn auch in sehr
eingeschränkter Form) war die Familie "Ural -11, -14, -16",
die von B. I. Ramejew (1918–1994) entworfen worden war. Aber
seine Sorgen in Pensa mit der Entwicklung und der
Fertigungs- Überleitung dieser Rechner reichten aus und das
Institut von B. I. Ramejew beteiligte sich wenig an
den Disputen in Moskau ( die Serienfertigung der Ural-16
begann deutlich später, als die der Rechner "Vesna" ("Весна"
) und BESM-6 (БЭСМ-6).
Die Minsker Entwickler waren
sehr aktiv, hinter ihnen stand ein mächtiges Werk , trotzdem
bemühten sie sich, ihr Profil auf Rechner niedriger Leistung
zu konzentrieren, für die ihrer Meinung die größte Nachfrage
bestand.
Der Hochleistungsrechner
"Vesna" , der im Moskauer Konstruktionsbüro KBPA - das 1978
in das Forschungsinstitut "Quant" umgebildet wurde-unter Leitung von V. S. Polin (1908–1975 ), des Autors
dieses Artikels und unter Mitwirkung einer Gruppe des
Akademieinstituts für angewandte Mathematik unter Leitung
von M. R. Schura- Bura entwickelt worden war, wurde vom
Minsker Werk nur mit Mühe übergeleitet und wurde wie ein
Fremdkörper aufgenommen. Aber die Moskauer
Wissenschafts- Welt , die Militär- Einkäufer, die Leitung des
Industriezweiges und des Staatlichen Komitees für
Wissenschaft und Technik (GKNT; ГКНТ) waren mit der in Minsk
gewählten Linie der Fokussierung auf "Massenbedarfs- EDVA"
ohne Verbindung mit Hochleistungs- Technik nicht konform ,
daher gelang es den Minskern nicht , ihre eigene Linie der
3. Generation zu formieren.
In Jerewan gab es insgesamt einigermaßen interessante
Ansätze, es fehlte aber die Produktionsstätte (weshalb
später die ESER- Entwicklungen ins Rechnerwerk in Kasan
übergeleitet wurden.) Im Jerewaner NII gelang es immerhin,
innerhalb von 2-3 Jahren als Erste im Lande den Durchbruch
zur 3. Generation in Form des Kleinrechners "Nairi-3" ("Наири-3")
zu schaffen, allerdings hatte sie wegen ihrer strukturellen
Besonderheiten nur eingeschränkte Anwendung und nach 1975
verwandelte er sich in den Rechner "Nairi-4", der seiner Struktur nach dem Minirechner PDP-11 ( Firma DEC)
sehr ähnlich war.
Das Institut für Kybernetik der AdW der Ukraine stellte 1965
seinen Projektvorschlag zum Rechner "Ukraine"("Украина")
vor, aber der wurde in Moskau zurückhaltend skeptisch
aufgenommen, da man davon ausging, dass es in Kiew an
Industrie- Erfahrung und an Kapazitäten bei Rechnern der 1.
und 2. Generation mangelt , zudem war AM V. M. Gluschkow
(1923–1982 ) in dieser Angelegenheit nicht sehr aktiv, er
war mit den Problemen der Automatisierten Systeme
ausgelastet.
Heute scheint es verwunderlich, dass das Schicksal und die
Perspektive der Kleinrechner kein ausreichendes Interesse
hervorrief- sie wurden entweder als militärische Bordrechner, oder als in
Automatisierungs-Systemen integrierte Objekte
betrachtet. Das Interesse an ihnen auf dem Niveau der
staatlichen Technik-Politik war erst nach 1970 spürbar, als
Resonanz auf das Erscheinen der amerikanischen
Maschinen PDP-11 , die ja dann der Prototyp des
einheimischen Kleinrechners CM-4 [ SKR CM-4] waren, der unter
Leitung des zukünftigen Akademiemitglieds B. N. Naumow
(1927–1988 ) entwickelt wurde. Bei diesen Betrachtungen
soll die Situation mit dem System ASWT ( aggregiertes System
der Rechentechnik) nicht erörtert werden, seine Schaffung
wurde 1966–1967 in Severodonezk von der Gerätebau- Industrie für die Automatisierung technologischer Prozesse initiiert, wie offiziell gesagt wurde. Reales
Ergebnis war die
Produktion von durchaus guten Kleinrechnern M-6000 und
M-7000, strukturell sehr den Rechnern der Firma HP verwandt.
Es existierte Konkurrenz zwischen ihnen und den CM-4,
aber alle fanden erfolgreich ihre Abnehmer.
Eine neue Bauelemente- Basis
wurde relativ aktiv formiert, weil deren Entwickler im
Wesentlichen die Arbeiten an Transistor- Dioden- Schaltungen
der 2. Generation abgeschlossen hatten und gleichzeitig sich
auch die Halbleitertechnologie in Selenograd gut
entwickelte. Im Ergebniss gelang es etwas später, aber noch
in den ersten ESER- Rechnern integrierte (monolithische)
Schaltkreise einzusetzen, während die IBM- Rechner
noch mit Hybrid- Schaltungen geliefert wurden. Eine große
Rolle spielten dabei AM K. A. Valijew im Bereich der
elektronischen Industrie und B. N. Faisulajew im NIZEWT,
der zuvor die Entwicklung der Transistor- Dioden-
Systemtechnik der Rechner "Vesna" geleitet hatte.
Im Februar 1967 schlug die Hauptverwaltung von M. K. Sulim
mir dann vor, die Leitung des Vorprojektes "Reihe" zu übernehmen
und es innerhalb eines halben Jahres vorzulegen. Damit
befasste sich unser KB (Konstruktionsbüro für Industrie-
Automatisierung), wobei mit einer Orientierung auf das
"System 360" gearbeitet werden sollte.
Diese Orientierung konnte man keineswegs als feststehend
betrachten, speziell entstand von Seiten Sulims und dem
GKTN ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit
Frankreich, weil zu jener Zeit Charles de Gaulle die
Ursprünglichkeit seines nationalen Kurses proklamierte und
man ging davon aus, dass das politisch und wirtschaftlich
für unser Land besser passt, als schwierig durchzuführende
Einkäufe bei den Anglosachsen. Bei den Franzosen gelang es
allerdings nicht, eine einleuchtende Konzeption
herauszufinden, sodass daraus nichts wurde.
Im Verlaufe von 1967 war gedacht, die regierungsseitigen
Entscheidungen zur organisatorischen und materiellen
Durchführung der weiteren Arbeiten [zur Reihe] vorzubereiten und zu
fixieren. Anfang 1967 waren natürlich die Formen der
Organisation der gesamten Richtung nicht klar, aber seitens
der Industriezweig- Leitung wurde eine notwendige
breite Kooperation der Betriebe in den nächsten Etappen
erklärt und das rief eine massive vorsichtige Zurückhaltung aller damaligen Betriebsdirektoren
hervor, die schon
ihre Rechner der zweiten entwickelt hatten und produzierten.
Es mag sein, dass die unserem politisch- ökonomischen
System eigene Neigung zur Zentralisierung der technischen
Orientierung ( unter der Losung
der "Konzentration der Kräfte" ) genau der Schaffung eines hierarchischen und
sich entwickelnden Komplexes vom Typ "System 360" entsprach, obwohl das überhaupt nicht so elegant und leicht gelang,
wie es gedacht war.
Meine Auffassungen zum Problem der "Reihe" begannen sich ab
ca. Mitte 1966 zu Gunsten der Annahme des "Systems/360" als
Prototyp zu neigen, oder eines mit /360 sehr ähnlichen
System, welche unter verschiedenen Namen, aber mit gleicher
Struktur von den Firmen RCA (USA)
ICL (Englande) oder Siemens (BRD) entwickelt wurden. Die einheimische Erfahrungen des Einsatzes der Rechner der
zweiten Generation 1966/1967 fehlten noch , die
Softwareausstattung unserer Rechner befand sich , gemessen
an der weltweiten Praxis, in einem embryonalen Zustand. Eine
beliebige eigene Struktur ( damals von IBM einfach als
"Architektur" bezeichnet ) einer neuen Generation von Rechnern
wäre anschaulich fundiert nicht begründbar und daher
strittig geblieben. Die Erfahrungen der strukturellen
[Architektur-] Entwicklung der Rechner der 2. Generation
verhieß keinerlei Optimismus bzgl. der Erarbeitung neuer
erfolgreicher Lösungen, eher musste man sich dabei
auf ausreichend fundierte Projekte führender
ausländischer Firmen stützen. Dass die großen
Firmen einiger Länder dem Grunde nach eine übereinstimmende
Konzeption wählten (Familie programm- kompatibler
Rechner), das sah äußerst überzeugend aus und irgendwelche
wichtigen Unterschiede in den Anforderungen und den Anwendungs- Bedingungen der Rechner für unser Land waren
nicht erkennbar. Daher stellte sich des "System360"
als ein vollständiges , ausreichend umfassendes und- wie die
Zukunft zeigen sollte, perspektivisches System dar, welches
Erweiterungen sowohl von Hardware- als auch
Softwarekomponenten zuließ. Bei aller Modernität des
"System 360" ergab sich dessen Konzeption organisch
aus den vorangegangenen Erfahrungen der Rechentechnik,
sodass das System im Wesentlich von den Entwicklern mit
Interesse und positiv angenommen wurde. ( Das betrifft in
gleicher Weise auch die o. a. Systeme europäischer Firmen und
von RCA.)
Die nächste Frage bestand darin, ob man die
Programmkompatibilität verwirklichen konnte, um die
Übernahme der Software der ausländischen Rechner- Prototypen
zu gewährleisten. Es wurden Meinungen geäußert, dass das
kaum gelingen würde und dass man daher keine strenge Kopie der Architektur des Prototyps realisieren müsse, sondern
dass man durchaus die Prototyp- Lösungen entsprechend dem
eigenen Verständnis verbessern sollte, allerdings war
dieses Verständnis bei Jedem anders. Im Januar
1967 wurde auf einer Beratung einer Kommission von
außerordentlicher Autorität unter Leitung von AM A. A. Dorodnyzin (1910-1994) der Beschluss gefasst, die
Struktur des Prototyps wegen der Wichtigkeit des Problems
verbindlich zu nachzuentwickeln, um die Übernahme
dessen Software zu sichern; davon gingen wir dann
nachfolgend bei der Erarbeitung des Vorprojektes aus.
Allgemein gesagt, bestand zu dieser Zeit , bis in jüngste
Zeit eine große Meinungsvielfalt und Überlegungen bezüglich
des Standes und der Wege der Entwicklung der Programmierung
in unserem Lande. Die Erörterung dieses Problems gehört
nicht zum Thema dieses Artikels. Trotzdem ist es nötig, auf
die allgemeine Anerkennung der Programm- Konzeption des
Prototyps hinzuweisen, die der Schaffung des ESER
zugrunde lagen. Das war nicht nur wegen der breiten
Möglichkeiten des Programmiersystems von IBM so, sondern
auch durch den Umstand, dass sich niemand bei uns an die
Schaffung eines derart originellen, funktionell entwickelten
Programm- Systems (Betriebssystem, E/A- Organisation,
Datenbank -System, automatisierte Programmiermittel u. a.)
getraut hätte, aber ohne das wäre es unmöglich, an
Anwendersoftware zu arbeiten. Die direkte Übernahme der
System- Software der Firma IBM ermöglichte unmittelbar ein
hohes Niveau der Möglichkeiten der Anwenderprogrammierung zu
nutzen und dadurch ein breites Spektrum verschiedener
Anwendungen der Rechentechnik zu erreichen, verschiedenste
automatisierte Steuerungssysteme zu schaffen u. a. , d.h.
alles zu tun, was später die Informatisierung der
Gesellschaft genannt wurde. Daher betrafen die
Meinungsverschiedenheiten der Startperiode der Schaffung des
ESER nicht so sehr die Orientierung auf ausländische
Prototypen, als vielmehr die Zweifel an der prinzipiellen
Möglichkeit, die Programmkompatibilität mit dem Prototyp und
die Lauffähigkeit der Programme zu sichern.
Bei der Formierung der
Überzeugung, dass die Kompatibilität des ESER mit dem
"System/360" möglich ist , sind zwei zentrale Personen zu
erwähnen - V. S. Starkmann (IPM, ИПМ) und V. Lapin (KBPA/
NIZEWT), welche zuvor erfolgreich bei der Entwicklung des
Rechners "Vesna" gearbeitet hatten. Sie hatten eine
gründliche Analyse der Unterlagen zur Struktur des
"System/360" veranlasst- zuerst des Prozessors,
dann
zum externen Interface und zur E/A- Steuerung. Das erlaubte
uns eine Vorstellung, dass die vorliegenden IBM- Unterlagen
einigermaßen umfassend waren, und gleichzeitig war es
dadurch möglich, systematisch deren Ergänzung
und deren Adaptierung zu organisieren
[siehe hierzu Anmerkung zu
Adaptierung]. Natürlich war allen klar, dass ebenso die Arbeit auf
realen IBM- Rechnern erforderlich war.
Im Sommer 1967 wurde das
Vorprojekt der "Reihe" (7 Bände vom KBPA und einige Bände anderer
Betriebe) abgeschlossen und danach von einer
zwischeninstitutionellen Kommission unter AM A. A.
Dorodnyzin angenommen. Das Vorprojekt wurde die
wissenschaftlich- technische Grundlage der Ende des gleichen
Jahres erschienenen Regierungs- Verfügung über die
Entwicklung der Rechentechnik.
Obwohl die praktischen Arbeiten auf vollen Touren auf Basis
der Informationsunterlagen von IBM liefen, blieb auf dem
Niveau der höchsten Ebene des Ministeriums die Frage weiter
offen ( oder besser unentschieden), welcher Prototyp nun
tatsächlich zu beschließen war – das "System/ 360"
oder die englische oder die deutsche Variante ( RCA hatte seine Arbeiten aufgegeben, offenbar weil man nicht an einen
Erfolg in Konkurrenz gegen die IBM glaubte). Die
abschließende Auswahl des "System/ 360" als Prototyp
des ESER wurde erst Ende 1969 getroffen. Wenn man von
subjektiven Aspekten und von der Detaillierung technischer
Momente abstrahiert , so waren folgende Gründe dafür
ausschlaggebend. Zum "System 360" existierte (im
Unterschied zu den europäischen Entwicklungen) eine gute
Dokumentation , im Lande erschienen sogar Bücher -
Übersetzungen von Anwenderdokumentation zur Struktur des
Systems und zu dessen Programmierung. Die Firma IBM musste ja Dokumentation und Programme für ein breites
Netz ihrer Filialen und Anwender weltweit herausgeben. Die
IBM selbst hatte auch keine Einwände dagegen , dass in
unserem Lande ein Analog ihres Systems gebaut wurde, weil
das nur ihre Position stärkte ( und die englischen und
deutschen Konkurrenten verdrängte), wo für die IBM aus
verschiedenen Gründen der direkte Marktzugang eingeschränkt
war. Mit uns irgendwelche wesentlichen Beziehungen
aufzunehmen, was die Lieferung von Rechnern oder den Verkauf
von Lizenzen betrifft, konnte die IBM wegen des Embargos
nicht, welches die gesamte Zeit wirkte (und bis heute nicht
aufgehoben ist) .
Bis zum Ende 1969 wurden Möglichkeiten des Erwerbs von
Lizenzen für den Nachbau von Prototyp- Maschinen geprüft,
sowohl bei den Firmen ICL, als auch Siemens und der Übergabe
deren Software. Diese Firmen nannten niedrigere Preise , als
das IBM getan hätte, allerdings waren deren Produkte auch
schwächer. Aber die erforderlichen Valuta für Lizenzen und
Dokumentation fand man nicht, die Verhandlungen liefen ins
Leere. Außerdem entstanden zur damaligen Zeit oft
außenpolitischen Spannungen , daher konnten
Handelsbeziehungen nicht stabil sein, um so mehr die
wissenschaftlich- technische Zusammenarbeit mit dem Westen.
Hier ist es angebracht, den Disput über die Wahl des
Prototyps des ESER ( "System/360" der IBM oder "System4 "
von ICL ) als ein ärgerliches Missverständnis zu erwähnen,
der im Buch von B. N. Malinowskij ("Die Geschichte
der Rechentechnik an Hand von Personen" Kiew, 1995, S.
263-273) benannt wird, ungeachtet der allgemeinen positiven
Bewertung dieses Buches und der Achtung seines Autors.
Tatsächlich war die erwähnte Auswahl an sich nicht das
Erstrangige, weil die Systeme im Prinzip sehr ähnlich waren.
Die im Buch beschriebene Zuspitzung ( nach den Worten des
von uns allen verehrten B. I. Rameew) bei der Entscheidung
zu den genannten Alternativen ergab sich aus subjektiven
Empfindlichkeiten ( mit denen der Autor dieses Artikels
nichts zu tun hatte) ; diese Auseinandersetzungen betrafen nur
einen kleinen Kreis der Leitung und hatten auf den
Fortschritt der Entwicklungs-Arbeiten keinen wirklichen
Einfluss, was in diesem Artikel dargestellt wird.
Zum Jahresende 1969 obsiegte die
Orientierung auf IBM
abschließend, weil der Termin der Fertigstellung der
technischen Dokumentation zur Herstellung der Muster unserer
Rechner näher rückte und ein weiteres Schwanken bei der
Festlegung des Prototyps zur Verzögerung der Arbeiten
geführt hätte, und nur zum System IBM/ 360 hatten wir überhaupt
genügend Unterlagen ( siehe
dazu Anmerkung zu "Einflussfaktoren").
Parallel dazu war auch Einiges bei
englischen und französischen Firmen gekauft worden. Im
Institut von B. N. Naumow hatte man erfolgreich eines der
Modelle von Siemens nachgebaut und einige Werksmuster
hergestellt, aber diese Arbeiten wurden als Fakt von lokaler
Bedeutung eingeordnet.
Im weiteren Verlauf sah die
Tätigkeit der oben genannten westeuropäischen Firmen äußerst
trübe aus, verglichen mit der aktiven und stabilen
Entwicklung der IBM- Linie, d.h. die von uns getroffene
Auswahl - oder eher die auf natürliche Art des Lebens
entstandene Auswahl- war gerechtfertigt.
|
In der zweiten Jahreshälfte 1967 und das ganze Jahr 1968
wurden also bereits Arbeiten zu konkrete Rechnern der
"Reihe" mit einer Leistungs-Orientierung auf 20-, 100-
und 500 TOp/s. durchgeführt. Ab Mitte 1968 begann man diese
Rechner ЕС-1020, EC-1030und EC-1050 zu
bezeichnen, ihre Entwicklung erfolgte entsprechend in Minsk,
Jerewan und Moskau. Gleichzeitig erfolgten die Bildung
von Ingenieur- Kollektiven und die Organisation der Prozesse
, die anfänglich mit der Formierung der o. g.
Regierungsverfügung zusammenhingen, und nach deren
Beschlussfassung ( im Dezember 1967) mit der Bildung und dem
Aufbau des "Wissenschaftlichen Forschungszentrums für
elektronische Rechentechnik" NIZEWT ( "Научно-исследовательского центра электронной вычислительной
техники (НИЦЭВТ)) in Moskau als Leitorganisation zur
Schaffung des ESER.
М. К. Sulim hatte
anfangs die Idee , das NIZEWT durch die Vereinigung der
Moskauer Institute zu bilden, welche an der Entwicklung von
EDVA allgemeiner Zweckbestimmung beteiligt waren. Aber er
erhielt von den Direktoren dieser Institute keine
Unterstützung und dazu zu zwingen gelang nicht, weil jedes
Institut voll mit den laufenden Arbeiten an den Rechnern der
2. Generation und deren Einbindung in verschiedene konkrete
Systeme befasst war. Darauf war die Aufmerksamkeit
verschiedenster einflussreicher Auftraggeber gerichtet, die
zur damaligen Zeit noch kein Interesse an Rechnern der 3.
Generation zeigten, aber bemüht waren , "ihre Institute"
nicht von einem "allgemeinen Kessel" verschlucken zu
lassen. Obwohl М. К. Sulim im Frühjahr 1968
als ein Stellvertreter des Ministers ernannt wurde, brachten
die Anstrengungen zum Aufbau des NIZEWT im leeren Raum keine
schellen Ergebnisse. Im Herbst 1968 überwand der Direktor
des damaligen Instituts für elektronische Maschinen - "NIEM"
( Института электронных машин - НИЭМ) S. A. Krutowskich (1928–1981
) seine "autonomistischen" Einstellungen und nahm die
Berufung zum Direktor des NIZEWT und als Generalkonstukteur
des ESER an, während meine Funktion als sein Stellvertreter
erhalten blieb (wie das im Wesentlichen noch 1968 mit
M. K. Sulim verabredet war, der anfänglich bestrebt war,
selbst eine Direktoren- Funktion für die Leitung der Arbeit
einzunehmen. Gemeinsam mit mir gingen im Verlaufe des Jahres
1968 einige Gruppen von Spezialisten aus dem KBPA ins
NIZEWT, die schon bei den Arbeiten am Vorprojekt der "Reihe"
gearbeitet hatten, aber ihre Spezialisierung deckte nicht
alle die Profile ab, die für eine derartig große Aufgabe
benötigt wurden. Im Jahre 1968, sowie in den nächsten 2-3
Jahren gelang es , ins NIZEWT eine große Zahl junger
Programmierer - von Absolventen der MGU [ Moskauer staatl.
Universität] , sowie des MFTI [МФТИ- Moscow Institute of
Physics and Technology State University]
und das wurde zum
entscheidenden Umstand bei der auf unsere Art erfolgreichen
Adaptierung der Software des "Systems 360"[
siehe Anmerkung zur
Software-Adaptierung]
. Als Maitre [Coach] für diese Programmierer wurde Prof.
Schura- Bura berufen, offiziell benannt als
wissenschaftlicher Leiter der Softwarearbeiten des ESER, der
Mitarbeiter des IPM [ Institut für Probleme der Mathematik
der RAdW] war und außerdem als Zweitstelle bei der MGU
arbeitete, der unveränderlich im Auftrage von M. V. Keldysch
(М. В. Келдыш 1911–1978 ), des damaligen
Präsidenten der AdW der UdSSR und Direktor des IPM, an
den Arbeiten des NIZEWT zu den Grundlagen- Ideen
arbeitete. Im Ergebnis wurde er mit dem Staatspreis
geehrt.
Die Umorientierung des NIZEWT auf eine derartig
leistungsfähige Basis , wie das NIEM, welches über
Erfahrungen bei der Schaffung von ( für damalige
Verhältnisse) Hochleistungsrechnern, wie "Strela" ("Стрела")
, М-20, М-220, und über ein gutes technologisches
Produktionspotential, sowie eine komplette Organisations-
und Wirtschaftsstruktur verfügte, hat damals das
NIZEWT einigermaßen schnell auf eigene Füße gestellt und gab
den Arbeiten am ESER den für damaligen Vorstellungen
erforderlichen Rhythmus. Natürlich wurde das durch die
spürbare Unterstützung der staatlichen Instanzen
vorausbestimmt. S. А. Krutowskich zeigte sich in
seiner Chefrolle insgesamt positiv, obwohl er überflüssige
Konflikte in seinen Beziehungen zu М. К. Sulim
zuließ.
Anfang 1970 wurde S. А. Krutowskich
einigermaßen unerwartet aus Gesundheitsgründen durch A. M.
Larionow (1928–1995
) abgelöst , einem ebenfalls langjährigem Mitarbeiter des
NIEM mit großer Autorität , und anstelle von М. К. Sulim
wurde alsbald V. S. Seminichin (В. С. Семенихин
;1918–1990 ), Akademiemitglied und Generalkonstrukteur von
militärischen Führungssystemen (ASU) , der neue
Stellvertreter des Ministers. Mit A. M. Larionow arbeitete
ich persönlich erfolgreich bis End3e 1975 zusammen, als
durch das Zusammentreffen verschiedener Umstände meine
Arbeitsaufgabe sich etwas änderte ( ich wurde Direktor des
KBPA), obwohl enge Kontakte mit dem NIZEWT weiterbestanden.
Ende 1977 war A. M. Larionow gezwungen , aus
Gesundheitsgründen in die pädagogische Arbeit im MIREuA
(Московский институт радиотехники, электроники и автоматики- МИРЭиА)
zu wechseln. Als Direktor des NIZEWT wurde V. V.
Prschijalkowskij berufen, der 1971 aus Minsk als
Chefingenieur ins NIZEWT kam, wo er er sich große Autorität
als Entwickler von Rechnern erarbeitet hatte.
Ende 1968 aktivierte sich die Zusammenarbeit zum ESER mit
den RGW- Mitgliedsländern DDR, Bulgarien, Ungarn , Polen und
der Tschechoslowakei, sie nahm eine organisierte Form an.
Das war in bedeutendem Umfange durch politische Motive
begründet. Episodisch nahm auch Rumänien teil,
nach 1973 tauchte Kuba auf. Der größte Nutzen kam aus der
Zusammenarbeit mit der DDR bei der Schaffung der Software
und mit Bulgarien bei der Entwicklung von Magnetband- und
Magnetplattenspeichern, außerdem gab eine Zusammenarbeit
dieser Art beim Programm zur Schaffung des ESER einen
bestimmten internationalen Glanz. Später erfolgten-
offenbar- einige unbedeutende gegenseitige Lieferungen der
in diesen Ländern gefertigten Mittel des ESER
( siehe dazu kritische Wertung)
.
Wichtig war die Entscheidung darüber, dass das ESER als
Produktion mit doppelter Einsatz- Zielstellung zu entwickeln
- für den zivilen und den militärischen Einsatz. Viele von
uns waren eine derartige Orientierung gewohnt und rief von
Anbeginn an keine Zweifel hervor, weil entsprechende
Erfahrungen bestanden und es klar war, dass Produktion
inklusive Maßnahmen zur Sicherung der Zuverlässigkeit und
der Qualität , die damals in der Militärproduktion
standardmäßig eingesetzt wurden, letztlich auch einfacher
auf EDVA- Ziviltechnik zu extrapolieren war. Man
äußerte Befürchtungen , dass das die Arbeiten verkompliziert
und die Produkte verteuert, aber im Großen und Ganzen wurde
diese Entscheidung nicht angezweifelt.
Eine durchaus bedeutsame Aktion am Beginn der Arbeiten am
ESER war die Annahme von Standards zur Kodierung und zur
Anordnung der Information auf externen Speichern- auf
Lochkarten, Lochbändern, Magnetbändern und auf
Magnetplattenstapeln. In den einheimischen Rechnern der 1.
und 2. Generation bestanden auf diesem Gebiet ziemlich
wesentliche Unterschiede von den Lösungen, die in der
internationalen Praxis eingeführt wurden und die in großem
Maße von Beschlüssen der internationalen
Standardisierungsorganisationen ISO und CCITT fixiert wurden.
Die Annahme des ausländischen Systems "System 360" als ESER-
Prototyp wurde zu einem mächtigen Impuls zur Veränderung der
externen Geräte bis zu einem verwertbaren Niveau , wobei die
Codierungs- Standards der externen Speicher hatten einen
bedeutenden Einfluss auf den Aufbau der externen Geräte
selbst. In diesen wichtigen Mitteln , wie Magnetbandgeräten
oder Wechselplattenspeichern, war die Anwendung der
allgemein anerkannten Standards und technischen Lösungen von
IBM und die Erarbeitung entsprechender einheimischer
Analoge (gemeinsam mit Bulgarien und der DDR ) ein
bedeutender Schritt vorwärts, denn unsere bislang
vorhandenen Magnetspeicher- Geräte hatten bei
Geschwindigkeit, Dichte und Informationsumfang wesentlich schlechtere Parameter.
Es gab verschiedene ökonomische , politische und
organisatorische Aspekte der Tätigkeit im ESER, die durch
die Situation im Lande bestimmt wurden, wozu es sich
aber hier nicht lohnt , diese zu vertiefen.
Die Existenz einer klaren Orientierung auf das Prototyp-
System ermöglichte die Entfaltung einer breiten Front von
Entwicklungen zum ESER und parallel eine Menge von Problemen
zu lösen, die gewöhnlich bei Neuentwicklungen nacheinander
gelöst werden müssen. Man könnte viel über Episoden der
ESER- Arbeiten berichten , aber allgemein
gesagt, es lief " im (kalten) Krieg - eben wie im Krieg"(
"на войне (холодной!) как на войне") . Viel Ärger
gab es mit der Durchführung von Programmierarbeiten auf
realen Rechnern des "System/
360". Wir besorgten Geld ( die Sache ist ja teuer) und
suchten Vermittler für Käufe. Im Verlaufe 1970 gelang es ,
lange Zeit eine Gruppe von Programmierern in der DDR
zu halten, weil dort (auf Grund irgendwelcher Vereinbarungen
mit der BRD) eine IBM- Maschine stand, auf der Unsere
heimlich arbeiten konnten. Im NIZEWT arbeitete die
erste Maschine des "System/360" 1971 , das war eine
lizenzierte
second hand - Lieferung. Später entstanden von Zeit zu Zeit
direkte Gespräche über Zusammenarbeit mit IBM, z.B. über die
Eröffnung eines Lehr- und Demonstrationszentrums in Moskau ,
über Lizenzen für Software u. a., aber obwohl es scheinbar
gegenseitiges Verständnis zu diesen Dingen gab, bekamen wir
kein Geld und auch sonst gab es viele bürokratische Hürden
und auch viel Sinnlosigkeit.
Zur Ehre der führenden Spezialisten in Moskau, Minsk,
Jerewan und in den Werken in Pensa und Kasan sein gesagt,
dass viele von ihnen ihre anfängliche Skepsis überwanden und
ihre Verbundenheit zu ihren eigenen Rechnern und sich mit
Enthusiasmus an den Arbeiten zur Schaffung des ESER
beteiligten. Im NIZEWT leitete die Arbeiten an der EDVA
ЕС-1050 und danach der ЕС-1060
unmittelbar V. S. Antonow, der die Schule der Entwicklung
von Rechnern der 1. und 2. Generation im SKB 245- NIEM
durchlaufen hatte , der an der Front verwundet worden
war und der hohe Achtung und Autorität aller an der
Schaffung des ESER Beteiligten genoss. In diesen
Jahren wuchsen viele, später bekannte Funktionäre der
einheimischen Rechentechnik heran und profilierten sich.
Die Dinge verliefen nicht ohne persönliche Spannungen ,
manche erhielten keine Aufgaben, obwohl derartige subjektive
Momente keine wirkliche Bedeutung für die allgemeine Lage
hatten.
Im Umfeld des ESER lief eine
riesige produktions- technologische Arbeit , sowohl in den
Instituten, als auch in den Werken und das führte den
Industriezweig in den Rang der im Lande führenden und
bestimmte die Zukunft der nächsten Jahrzehnte. In
diesem Zusammenhang veranlasst die ständig wachsende Rolle
von N. W. Gorschkow (Н. В. Горшкова ;1927–1995 )
zu ehrlicher Bewunderung. Sein Lebensweg entspricht ganz
besonders der hohen Ehrung , der er 1983 für würdig befunden
wurde- Held der sozialistischen Arbeit. Auch die
äußerordentlichen Aktivitäten von D. Ja. Berman (Д. Я. Берман)
bei der Schaffung der Versuchsproduktion im Flagschiff
[NIZEWT hatte ein großes Versuchswerk], wo termingerecht und
in hoher Qualität der Entwicklungsbedarf bereitgestellt
wurde, sind besonders zu nennen.
Im Sommer 1973 fand auf der " WDNCh" ( ВДНХ ) in Moskau die
erste ESER- Ausstellung statt, auf der die Produkte
aller Teilnehmer-Länder vorgestellt wurden; das war eine
gewaltige Ausstellung der einheimischen
Rechentechnik , dazu noch eine internationale und eine
Außenhandel - orientierte. Eine gleichartige Ausstellung
fand dann auch 1979 statt; auf ihre wurden neue
ESER- Maschinen, da schon kompatibel mit dem "System/370 "
von IBM , gezeigt- die [technologisch] sogenannte " drei-
einhalb" Generation der Rechentechnik ( Reihe 2 des ESER.
Die kritisierenden Reden über das "Kopieren" , die man oft
hören musste, treffen die Sache bei Weitem nicht. Es
ist zweifelsfrei, dass die Arbeiten am ESER es ermöglichten
, innerhalb einer relativ kurzen Periode auf ein wesentlich
höheres Niveau der Rechentechnik und der angrenzenden
Gebiete zu gelangen, die durch die progresive Konzeption und
die umfangreichen Möglichkeiten der Rechner der 3.
Generation bestimmt waren. Die Programmkompatibilität
des ESER mit den Systemen /360 und /370 und die damit
zusammenhängenden Folgen in den ingenieurtechnischen und
Software- Lösungen sind nicht als Kopieren zu qualifizieren,
sondern die Entscheidung für hochqualitative
vorwärtsorientierte Standards , die de-facto- international
anerkannt sind , was die Möglichkeit eröffnete, eine große
Menge von Programmprodukten zu nutzen , die eine gewaltiges
und sich ständig erweiterndes intellektuelles Arsenal
bergen. Eine derartige Tätigkeit ordnet sich durchaus
ein in Rechtsnormen und Beziehungen, die im Lande und in der
Gesellschaft gelten ( oder hätten angenommen werden können).
Es sollte hervorgehoben werden, dass zu Fragen der Patent-
Reinheit des ESER auf dem Außenhandelssektor keinerlei
spürbare Schwierigkeiten entstanden: Im ESER wurden
IBM-Lösungen lediglich auf den Niveau der äußeren Struktur (
der "Architektur" ) wiederverwendet, was kein Objekt des
Patentschutzes darstellt. Gleichzeitig war die konkrete
technische Realisierung eine Eigenlösung und in vielen
Bereichen oftmals äußerst originell, was durch Erfindungs-
Urkunden (авторскиe свидетельства на изобретения) belegt
wurde.
Man kann feststellen , dass ein analoges Vorgehen bei
wissenschaftlich-technischen und organisatorischen Lösungen
durchaus akzeptabel ist und erfolgreich auch auf
anderen Gebieten der einheimischen ( und der weltweiten)
Praxis sowohl vor, als auch nach den betrachteten
Ereignissen betrieben wird. Daher sieht die Situation um das
ESER einigermaßen alltäglich und mehr oder weniger analog zu
der Situation aus , wie sie auch auf anderen Gebieten sich
entwickelte.
Als eine bestimmte Illustration des positiven Effektes der
ESER- Arbeiten kann man folgende Fakten aufzählen. Als die
Schaffung des ESER gerade begann , befand sich die
Entwicklung von System - Software (Betriebssystemen,
Compiler u. a.) für die einheimischen Rechner der 2.
Generation, wie schon gesagt, im Anfangsstadium. Bei
der Weiterentwicklung und Erweiterung der Software der
Rechner BESM-6,"Vesna" , "Ural" wurde in deren funktionellen
Aufbau Vieles von dem aufgenommen, was gelang, aus dem
System/360 und entsprechend aus dem ESER zu erkennen, gar
nicht zu reden von der Terminologie und der allgemeinen
Struktur des Programmsystems. Alle Zweifel an
der Möglichkeit der Realisierung einer vollständigen
Programmkompatibilität zwischen dem "System/360" und dem
ESER wurden im Zuge unserer Entwicklungsarbeiten ebenfalls
zerstreut , mehrfach erfolgten strengste Vergleiche der
eigenen Rechner mit den amerikanischen, darunter auch bei
Außenhandelsgeschäften. Auch hinsichtlich der
Programmkompatibilität zwischen den verschiedenen Modellen
der Rechner des ESER gab es keinerlei Beschwerden , und man
kann viele Beispiele nennen, dass die Gewährleistung der
Kompatibilität als grundlegendes Element der ESER-
Konzeption eine positive Bedeutung hatte. Die
Einheitlichkeit und Vollständigkeit des Funktionsumfanges
der Softwaremittel des ESER wurden als etwas ganz
Natürliches empfunden, die Diskussionen und Befürchtungen
der Anfangszeit bzgl. des Aufwandes zur Sicherung der
Software- Kompatibilität blieben in der Vergangenheit.
Man kann begründet behaupten, dass die Grundprinzipien des
Aufbaus des ESER, umgesetzt wurden, sich als real erwiesen
haben, gerechtfertigt waren und positive Effekte hatten.
Allerdings gab es auch Verzögerungen und Unterlassungen:
in der ingenieurtechnischen Entwicklung des ESER war eine
bestimmte fehlende Koordinierung der Tätigkeit verschiedener
teilnehmender Betriebe spürbar, es gab keine derartig
durchgreifende technische Einheitlichkeit, die IBM
erreichte. Die Zuverlässigkeitsparameter im Betrieb
ließen zu wünschen übrig und man könnte viel darüber
schreiben , wie man daran hätte arbeiten müssen. Die
Bereiche Entwicklung, Produktion und Anwendung der Rechner
blieben stark getrennt , sie waren nicht ausreichend
miteinander verbunden und koordiniert.
Wenn man über die nichtrealisierten Möglichkeiten spricht,
so möchten wir erinnern, dass in den "Systemen /360 und
/370" und entsprechend auch im ESER ein leistungsfähiger
Ein/-Ausgabekomplex und auch ein, wie sich herausstellte,
perspektivisch stabiles E-/A- Interface existierte.
Unsererseits wurden die Möglichkeiten dieses E/A- Systems
bei Weitem nicht vollständig genutzt , selbst in den
allergrößten Rechenzentren nicht. Natürlich ist
das teilweise bedingt durch das niedrige Niveau der externen
Geräte , aber im ESER wurden ja bei Notwendigkeit auch
ausländische Geräte angeschlossen. Offenbar überstieg das
funktionelle Angebot des ESER, wie auch die produzierte
Menge an Rechnern die objektiv vorhandene Nachfrage.
Aber es ist wohl kaum jemand in der Lage , genau
vorauszusagen , was man alles hätte tun müssen, damit "es
besser geworden wäre".
Schon in der Phase der Schaffung der Reihen 1 und 2
ertönte die These über die Notwendigkeit der Vernetzung der
Hochleistungsrechner, um den entfernten Nutzern
entsprechende Ressourcen über Abonnenten- Punkte , d.h.
Terminals dieser Netze zur Verfügung zustellen. Das spätere
Akademiemitglied A.P. Jerschow ( А. П. Ершов; 1931–1988
), einer der hellsten Sterne der einheimischen "Rechenwelt"
("Вычислительного Дела" ), wie er das nannte
, trat 1966 mit dem Projekt AIST (АИСТ) zur Schaffung eines
Netzes automatisierter Terminals auf. Es wurden
vielfältige Anstrengungen unternommen, A.P. Jerschow und
seine Sibirier an den ESER- Arbeiten zu beteiligen ,
aber weiter, als bis zu einer sehr freundlichen
Kommunikation, kam es leider nicht. Trotzdem spielten seine
Meinungen und Bewertungen für das ESER, die im Allgemeinen
unterstützend waren, ihre Rolle. Akademiemitglied S. A.
Lebedjew , den ich als Mentor verehre , der Anfang 1967 auf
meine Bitte seine Meinung zur "Reihe" äußerte ,
konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die leistungsfähigen
Rechner und war offenbar auch von der Übermittlung der
Services über Abonnenten- Netze ausgegangen , obwohl er
einräumte, dass bei uns mit der Nachrichtentechnik , gelinde
gesagt, Schwierigkeiten bestehen und daher auch Rechner
kleinerer Leistung benötigt werden. Dabei verneinte er
allerdings den Nutzen der Programmkompatibilität von
Rechnern verschiedenen Niveaus und meinte, dass auf jedem
Niveau prinzipiell andere Aufgabenklassen bearbeitet werden
und daher die Übergabe von Programmen zwischen den
verschiedenen Niveaus nicht benötigt wird. So
oder anders - mit Rechnernetzen befasste man sich, man
schrieb Technische Aufgabenstellungen und Projekte, sogar
bis zum EGSVZ - dem Einheitlichen Staatlichen Netz von
Rechenzentren ( ЕГСВЦ - единая
государственная сеть…). Daher befand sich unter den Arbeiten
zum ESER von Anbeginn eine Abteilung für Fernverarbeitung,
es wurden Geräte analog zu IBM entwickelt und es gab Netz-
Software, und die ESER- Entwickler wurden zur Schaffung von
ASU eingesetzt. Allerdings erwiesen sich bei der
einheimischen Nachrichtentechnik eine Menge eingebürgerter
Spezifika in den Nachrichtenkanälen, in den Netzfiltern und
den Abonnenten - Endpunkten. Die als Symbiose zwischen
einheimischer Nachrichtentechnik und ESER- Fernverarbeitung
gebauten Systeme erwiesen sich als aufwendig.
Wesentlich ökonomischer sahen Fernverarbeitungssysteme (
Netze zur Datenübertragung) aus, die unter Einsatz von SKR-
Rechnern CM-4 in den Kommunikationsknoten und den
Abonnentenpunkten und mit ESER- Maschinen in den Zentren
aufgebaut wurden, wo erhöhter Verarbeitungsleistung benötigt
wurde. Es waren amerikanische Netze bekannt ( vor allem das
militärische Netz ARPANET, welches später zum
Internet wurde), die auf PDP-11 –den Prototypen
der СМ-4, aufgebaut waren. Aber die Kombination ESER
mit CM-4 entsprach nicht der eingebürgerten Form der
Softwareadaptierung der IBM und im NIZEWT fand das kein
Interesse, obwohl derartige gemischte Systeme im Lande
realisiert wurden, zum Beispiel in einigen Entwicklungen des
NII "Quant". Insgesamt wäre zu sagen, dass die Entwicklung
und Anwendung des ESER für Systeme und Netze der kollektiven
Nutzung sich stark verzögerte; erst 1985–1987 begann
die Installation von Systemen mit einer einigermaßen
bedeutsamen Zahl von Display- Terminals , auf denen
ausreichend entwickelte Dialog- Systeme verfügbar waren.
Aber zu jener Zeit drang das Phänomen der ESER-
Personalcomputer in unser leben ein und die Ära des ESER
ging in ihrer bekannten "Normalform" zu Ende.
Episoden, welche die Tätigkeit zum ESER stärker bildhaft
darstellen würden, sind für den Einen interessant, für
Andere nebensächlich. So riefen z.B. Diskussionen zur
Bewertung der Leistungsparameter der ersten Maschinen des
ESER heftigen Streit hervor, vor allem natürlich der EC 1050
beim Vergleich mit ausländischen Analogtypen und im
Vergleich zur einheimischen BESM-6. Allgemein
gesprochen, zu allen Zeiten war das Leistungsniveau der
einheimischen Rechner das höchste in Europa und lag unter
dem amerikanischen; man war der Annahme, dass auf der
Grundlage einer bestimmten Kunstfertigkeit bei der
Programmierung es uns gelang, reale Aufgaben unter Sicherung
einer "Parität" mit den Amerikanern zu rechnen. 1972–1974
war es notwendig , eine gewisse Hürde im Verständnis zu
überwinden, worin und warum die EC 1050 einen Schritt
vorwärts gegenüber der BESM-6 darstellt, die zu diesem
Zeitpunkt bereits in der Produktion lief und
Popularität gewonnen hatte. Entsprechend wurden
die kleineren Rechner ЕС-1020, EC-1030 mit den
Rechnern "Minsk-22","-32 " und М-220 verglichen. Im
Ergebnis stabilisierten sich die Bewertungsmethoden
und die Rechner des ESER wurden nur untereinander, im Rahmen
des Einheits- Systems verglichen. Natürlich ruft die
Arbeit mit neuer Rechentechnik auch neue Sorgen hervor , die
man oft vernachlässigt. Alle Argumente über die angeblich
einfache Arbeitsweise mit der Technik sind Fabeln für
Leichtgläubige : die Rechentechnik ist in der Lage, ihre
Möglichkeiten wesentlich zu erweitern, aber um den Preis
einiger zusätzlicher Anstrengungen, die allerdings nicht
immer bequem vom Anwender verkraftet werden. Zur damaligen
Zeit stellet sich erst ein gewisses Niveau der
Russifizierung der von uns übernommenen englischen
Terminologie ein, verbunden mit neuen Begriffen ( dieses
Niveau hat sich heute weitgehend stabilisiert).
Man könnte auch nach Vieles
mehr aufführen, es besteht unweigerlich Subjektivität bei
der Bewertung der Bedeutung verschiedener Umstände und
Erscheinungen. Zum Beispiel setze man Hoffnungen in die
Mikroprogramm-Emulation der vorangegangenen Maschinen der
2.Generation auf ESER- Anlagen, um den Fundus
bestehender Anwenderprogramme unmittelbar auf dem Niveau des
Maschinen- Code zu übertragen, sowie auf die Emulation als
Mittel dafür, die Effektivität der ESER- Rechner für
bestimmte konkrete Anwendungsgebiete zu erhöhen und damit
spezialisierte Rechner zu erhalten. Allerdings haben
derartige Versuche kaum merkbare Ergebnisse gebracht.
Ein anderes Bespiel: mehrfach und von verschiedenen Seiten
bemühte amn sich , die Entwicklung von Anwenderprogramm-
Paketen als Form der Herstellung von Warenproduktion (
siehe Anmerkung 5) zu beleben, und wie man so
sagt, einzelne Ergebnisse wurden erreicht.
Erst mit der Verbreitung der IBM- Personalcomputer
aktivierte sich dieser Ansatz und wurde als Realität
empfunden, als Massenerscheinung und Lebensstil.
Einigermaßen trübe gestaltete
sich das Schicksal der größten Hochleistungsrechner, deren
Entwicklung im Schatten der vielfältigen laufenden Probleme
bei den Massenproduktions- Rechnern stand. Der Autor vertrat
stets die Meinung , das die ESER- Konzeption [Architektur]
keinerlei Hindernisse für die Erhöhung ihrer
Leistungsparameter bis zu den Grenzen enthielt, die
durch die verfügbare physikalisch- technische Basis (durch
die Mikroelektronik) bedingt sind; und in diesem Sinne
können auch irgendwelche anderen Struktur- Konzepte keine
wesentlichen Vorteile auf dem Niveau der Leistungsparameter
ermöglichen ( wenn man spezialisierte Strukturen
ausklammert). Die Entwicklung der EC 1060 ( deren Leistung
ursprünglich bei 2–3 Mio OP/s. geplant war ) und der ЕС-1065
verzögerte sich stark, und es gelang nur teilweise, das
durch die erfolgreich durchgeführten Entwicklungen der
EC 1061 und EC 1066 ( entsprechend 2 und 5 Mio OP/s.) zu
kompensieren. Nachfolgend gelangen keine Arbeiten bei
ESER- Hochleistungsrechnern mehr. Die Serien- Überleitung
der großen ESER- EDVA , schon ab der EC 1050 , verzögerten
sich wegen unerwarteter Umorientierungen der
Fertigungsbetriebe. Die Arbeiten an Hochleistungs-
Coprozessoren auf Basis verschiedener Varianten der
strukturellen Parallelität wurden nicht ausreichend auf
einer industriellen Grundlage aufgebaut und wurden
ungenügend durch Entwicklungsarbeiten im Bereich der
Anwendungs- Programmierung begleitet, wo man die Spezifik
der Parallelstrukturen beherrschen musste. In diesem
Zusammenhang beeindruckt der Erfolg der Schaffung der
Rechner PS-2000 und -2100, die sich leider nicht mit dem
ESER koppeln ließen (
siehe auch
Der Multiprozessor PS-2K ).
Im vorgelegten Artikel war der Autor bemüht , die
Natürlichkeit und die Richtigkeit der Wahl der Linie des
ESER zu zeigen , die existenten "Umstände bzgl. Zeit, Ort
und Art der Aktionen" sowie die Überzeugung auszudrücken,
dass bei Annahme jeder anderen damals denkbaren
Variante der Durchführung der Arbeiten deren Ergebnis
traurig gewesen wäre. Eine offizielle positive Wertung
des ESER erfolgte mehrfach und drückt sich in den
Auszeichnung der Teilnehmer im Jahre 1983 aus. Da eine
Programmkompatibilität mit IBM- Maschinen bestand,
ermöglichte der Einsatz des ESER die Nutzung neuester
Software und dadurch auf einem für damalige Verhältnisse
durchaus modernem Niveau die Aufgaben der Automatisierung
und Informatisierung zu lösen. Eine andere Frage war es, ob
das immer alles gebraucht wurde.
Die hier ausgesprochenen Bewertungen stellen nicht nur
historisches Interesse dar, sondern haben auch Bezug zur
Auswahl von Lösungen der nachfolgenden Etappen. Die
laufenden Arbeiten zum ESER entwickeln sich
gegenwärtig bei Systemen des Mainframe- Typs (
siehe Anmerkung 6).
Die Konzeption der Programm- Kompatibilität wird
hauptsächlich durch die Forderung der Programm- Portabilität
(Übertragbarkeit, Übernahmefähigkeit) interpretiert.
Das wird auf seine Art durch die sich entwickelnden
Generationen von PC und Arbeitstationen umgesetzt. In
verschiedenen Arten von Servern und Supercomputern kann die
Kompatibilität eine natürliche Eigenschaft wegen der
Eigenschaft der Skalierbarkeit (nach der Zahl der
Prozessoren, dem Speichervolumen u. a.) bei einer
Einheitlichkeit der Programmiermittel ( auf jeden Fall auf
dem obersten Level) sein. Man kann sagen, dass Arbeiten zu
derartigen Richtungen durchgeführt werden, es werden die
aktuellen Anforderungen der russischen Anwender bearbeitet
und es existiert ein Verständnis dafür, dass das in
allernächster Zukunft erreicht werden wird [1, 2].
Der Autor hatte nicht das Bestreben , die Charakterisierung
aller Seiten der Arbeiten am ESER ausgewogen darzustellen.
Er blieb im Rahmen seiner unmittelbaren Eindrücke und
Dokumente und konzentrierte sich auf das wissenschaftlich-
organisatorische Niveau, ohne sich den alltäglichen
Empfindlichkeiten und den gesellschaftlich- wirtschaftlichen
Auslegungen und Verallgemeinerungen zu widmen; man hätte
sich um mehr Details im Artikel bemühen können, aber davon
ändern sich die resultierenden Bewertungen nicht.
Man muss auch feststellen, dass die Betrachtungen über das
ESER für sich allein noch nicht auf die Frage antworten über
die Lage der Rechentechnik im Lande im Ganzen. Es
bestanden explizite und nicht explizite Arbeitsrichtungen
zur Rechentechnik , obwohl auf viele von ihnen das ESER
in der einen oder anderen Form seinen Einfluss ausübte.
Eine seriöse Alternativ-
Linie zum ESER wurde in den Jahren 1983- 1985 im
Zusammenhang mit der Formierung der Pläne zur Entwicklung
der Rechentechnik für 1986 bis 1995 erörtert. Wie auch
in den vorangegangenen Fällen entstanden auch hier engste
Verflechtungen von objektiven und subjektiven Gegebenheiten,
die die Entscheidungsfindung beeinflussten, aber alles das
gehört nicht zur Thematik dieses Beitrages. Außerdem führten
die im Lande beginnenden Perestroika- Prozesse zu
wesentlichen Veränderungen von Werten und Orientierungen.
Der Autor ist zutiefst erfüllt von Dankbarkeit an Alle, die
an den Arbeiten am ESER teilnahmen und bedauert, dass er im
Rahmen dieses Abriss nur auszugsweise einige Personen
erwähnte , ohne dabei die Rolle jedes Einzelnen
charakterisieren zu können.
|
Anmerkung des WEB- Site
Autors:
1) Von
V. K. Lewin
werden
leider heute bekannte
"äußere"
Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung
in der UdSSR nicht genannt.
Aus u.a. Artikeln
ergibt sich, dass die Verfügbarkeit der Prototyp-
Unterlagen - nach Lewin der letztlich dominierende
Faktor - ein Ergebnis der Kooperation mit der DDR
war:
.
Zur
ESER- Startperiode speziell
über den Informationsaustausch DDR/ UdSSR
.
Zur
Unterstützung ..mit "Prototyp" - Unterlagen durch die HVA
des MfS speziell über das Zusammenwirken der
Geheimdienste der DDR und UdSSR bei der Dokumentationsbeschaffung.
2) Unter
"Adaptierung" von
Unterlagen wurde allgemein verstanden, diese so
aufzubereiten, dass danach keinerlei Rückschlüsse über deren
Beschaffungsquellen möglich waren. Speziell für maschinenlesbare
Daten war das eine anspruchsvolle Aufgabe.
3)
Bei der
"Adaptierung eines
Softwareproduktes" u. ä. wurde allgemein neben der
oben schon genannten Neutralisierung
der Quellen eine große Zahl weiterer Arbeiten durchgeführt,
um ein mit allen Geräten des ESER- Modells systemkompatibles, vertriebsfähiges und im Service
beherrschbares Produkt zu erhalten- eine weitgehend vollwertige
Entwicklungsleistung
4) Diese geringschätzende Einschätzung
basiert offenbar auf Unkenntnis von
V. K. Lewin, die ggfls. mit dem frühzeitigen Austritt von ihm
aus der internationalen Kooperation und seinem
Wechsel in ein streng abgeschottetes
Staats-Unternehmen begründet ist. In den
Darstellungen von Viktor Prschijalkowskij oder in den
Unterlagen des Kombinates Robotron sind reale Aussagen
enthalten.
5) In der UdSSR wurde die Entwicklung
systemnaher
Software- Produkte, wie Betriebssysteme, Compiler ,
Datenbank-Betriebssysteme u. ä. in der Regel aus dem
zentralen staatlichen Fonds "Wissenschaft und Technik"
finanziert . Das hatte den Effekt, dass solche Software zwar
für den Anwender scheinbar "extrem billig" war, allerdings
musste ja der Fonds aus den Gewinnabführungen der Betriebe
gespeist werden, d.h. die Hardwarepreise mussten hoch sein,
um Gewinne zu erzielen. Derartig versteckte Preise
stimulierten die Entwickler- Unternehmen jedoch nicht zur
zielstrebigen und systematischen Entwicklung
leistungsfähiger Software mit eigener Nachfrage.
Beim Export / Import von systemnaher
Software bestand die gleiche Vorgehensweise, sodass hier nur
mit speziellen Vertrags-Tricks überhaupt ein
wirtschaftliches Interesse bestand.
6) Die beschriebene Periode der
Arbeiten bezieht sich offenbar auf die
Zeit um 2002-2004 , in der
das NIZEWT verstärkt an der Ablösung bestehender
ESER- Systeme bei Großanwendern in Richtung
IBM Hochleistungsserver in Client- Server- Architekturen und an
speziellen PC- Systemen arbeitet.
|
Literaturnachweis
-
Левин В.К. Радиоэлектроника
и вычислительная техника. Радиотехника, 1995, №
4–5, с. 137–141.
-
Левин В.К. Высокопроизводительные
вычислительные системы для решения задач науки и
промышленности России. Информационные технологии
и вычислительные системы, 2003, № 4.
Статья
опубликована 24.02.2004 г. |
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