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Vorlaufarbeiten und deren Technologiebasis
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Die technologische und systemtechnische
Entwicklung der Mainframes war und ist ein besonderer "Hochtechnologiekomplex".
Hier focusierte sich der große Leistungswille, eine erfolgreiche
und wichtige Produktlinie weiterzuführen. Und hier trafen, neben der ohnehin extrem anspruchsvollen Materie,
in eklatanter Weise Widersprüche aufeinander, welche auch
renomierte westliche Firmen vorkomplizierte Aufgaben stellten
und z.B. wegen ihrer Komplexität zum Abbruch/ Auslauf
der SIEMENS- Mainframe - Linie in Augsburg im Zeitraum
1994/95 führten. Diese "Technologie" fordert halt
Höchstniveau!
Eine Mainframe muß eine "Zentraleinheit" sein
- nicht nur im Sprachgebrauch der 70er und 80er Jahre, sondern
sie steht in der System- Anwendungspyramide
im Spitzenbereich:
-
höchste Qualität- dh. technische
Verfügbarkeit ( d.h. extrem niedrige
Wahrscheinlichkeit eines Systemausfalles)
-
höchste Performance
-
Komfort und Qualität der Ausstattung
mit zuverlässiger Anwendungs- Software
-
Berechenbarkeit der Architektur
über 10 -15 Jahre für Großanwender
-
Rentabilität des Betriebes
Im Zeitraum nach 1995 war es nach Expertenbewertungen
zur Anwendungstechnik in der DDR (aber auch
international war das eindeutiger Trend ) notwendig, in den oberen
20% der Anwendungspyramide
eine ESER- Leistung von ca. 20-30 Mio OP/ps (MIPS) zu haben.
Der Spezifik der Arbeit am ESER- Hostkomplex ab ca. 1985
folgend sollen hier typische systemorientierte Technologie-
Aspekte kurz umrissen werden:
- die Komplexität der
IBM/ ESER- Architektur erfordert einen sehr aufwendigen
Spezial- Logikentwurf , dessen Prozessorkern(e) mit
höchster Packungsdichte realisiert sein muß/müssen (
wenige Dezi-Liter Volumen der Systemmoduln ), denn im
Bereich der geforderten MIPS ist die "Kupfer- Signallaufzeit"
vergleichbar mit den Schaltzeiten schneller Logikelemente
.
-
es bedarf schneller Logik
bei geringen Wärmeverlusteigenschaften -d.h.einer hohen
Integrationsfähigkeit, die architekturorientierten Eigenschaften
der VLSI- Basis (Strukturbreiten, Kontaktzahlen.. )
sollten "architektur-kompatibel" sein.
-
der Entwurf soll ein Minimum
an "sensiblen Zuverlässigkeits- Elementen"-
wie vor allem Kontakte, Lötstellen usw. besitzen.
-
die Bauelemente- Basis ( Halbleiter
und Bauelemente-Träger) soll wirtschaftlich vertretbare
Kosten haben.
-
unter den Bedingungen der
DDR- Wirtschaft musste das Konzept hochgradig aus Eigenaufkommen
( des RGW) produzierbar sein
In sehr komplizierten mehrjährigen Konzeptionsarbeiten
wurden mehrere Systemkonzepte einer ESER 4- Maschine (EC
1150) erarbeitet und mit den Hauptkooperationspartnern -
den Entwicklungsleitern des Kombinates Mikroelektronik -
beraten. Es wurden verschiedene Varianten mit Einsatz einer
Mischtechnologie (BiCMOS) , ECL und der CMOS- GateArray-
Linie U530/550 analysiert *). 1987 wurde dann die
CMOS- Gate- Array- Variante auf Basis
U5300/U5500 fixiert, verbunden
mit dem Einsatz eines keramischen Mehrschicht -Zwischenträgers
für die kompakte Montage von gehäuselosen Einzelchips (Multi-Chip-Modul)
der Größe 100x100 mm in der Vorzugsvariante. Unter bestimmten
Bedingungen ( geringere Leistung , Mehrkosten) wurden auch
Varianten ohne **) diesen (technologisch
und investitionsseitig kritischen) Zwischenträger analysiert.
*)
Dieser Prozess wurde sehr wohl immer mit Blick auf
die Bilanzbarkeit der Schaltkreisbasis unter DDR-
Bedingungen geführt. Eine sehr enge Zusammenarbeit
mit den führenden Spezialisten im Zentrum für
Mikroelektronik Dresden (ZMD) des Kombinates Zeiss
Jena machte das möglich, wir waren immer im
"aktuellen Kanal" der Technologieentwicklungen und
damit sowohl modern, als auch "bilanzierbar".
**)
Eine Anmerkung aus Sicht eines
Besuchers der Informatikabteilung des Deutschen Museums
München : Dort war der "TCM100" von IBM ausgestellt,
der in IBM /308X- Systemen zum Einsatz kam. Dessen enormer
Technologieaufwand, von der grünen "schrumpfungsfreien"
Keramik, über Leiterzugpasten höchster Qualität bis
zu supergenauen Verbindungen von 36 Lagen über 36 000
Kontaktlöcher und neuartigen Kugel-Bond-Technologien
für 132 Chips mit je 120 Kontakten machten dem Autor
2006 bei einem Besuch in München augenscheinlich, dass
sein Auftrag aus dem Jahre 1988 , eine Alternativvariante
für EC 1150 ohne den keramischen
Mehrschicht -Zwischenträger zu konzipieren, sicher "lebensnotwenig"
geworden wäre... . unter DDR- Bedingungen und bei Konfrontation
mit der 32-Bit Linie in Dresdner, deren Entwickler
derartige Lösungen beim Vorbild ja nicht kannten..
Der
Schaltkreisentwurf wurde zum
integralen Bestandteil des Logikentwurfes des FG Geräte
E2 bzw. des WTZ des Buchungsmaschinenwerkes (später
Ascota-AG Chemnitz),d.h. das eigene Arbeitsfeld des Logikentwurfes
wanderte folgerichtig mit dem technologischen Fortschritt
in den Bereich der Mikroelektronik- Technologie. Das Fachgebiet
E2 erarbeitete sich die Fähigkeiten, Schaltkreisentwürfe
im Komplex des Gesamtlogikentwurfes der ZE zu erarbeiten,
dh. incl. der Logiksimulation, Prüfpatternerstellung usw..
Eine neue Qualität der Entwurfssicherheit war die notwendige
Konsequenz und es wurde lebensnotwendig, den Entwurf einer
sicheren logischen und technischen Simulation zu unterziehen.
Die ersten 3 LSI- Gate Arrays U5300 wurden so erfolgreich für den Personal-
Computer EC 1835 (PC/AT 2. Generation) entworfen. Das Fachgebiet
hatte sich auf die Anforderungen der Verwertung von U5300/U5500
in seinem selbstentwickelten Entwurfssystem eingestellt
und war hier auf die 90er Jahre gut vorbereitet mit einer
sehr flexibel nutzbaren Technologie für ESER- Mainframes
, Personalcomputer oder im Prinzip sogar zusätzlich zum
ESER auch für DEC-VAX - Logikentwürfe.(
Letzteres allerdings ging weit über die Vorstellungswelt
der Dresdner Kollegen hinaus).
Unser Konzept war es, mit der CMOS- Schaltkreisbasis
U5500 mit ihrer höheren Intergrationsdichte und
Geschwindigkeit den Weg in die 90er Jahre zu sichern. Für
1990 waren U5500- Gate Arrays mit ca. 50
T.Gatern /Chip geplant. Die Entwicklungskonzepte sahen
vor:
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Mehrere Auszüge aus
Original- Unterlagen dieser Zeit
sind noch verfügbar und unterstreichen das o. Gesagt deutlich.
Die Position der Rechentechnik im internationalen Vergleich
und ihre technologische Abhängigkeit vom Stand der Bauelementebasis
und Basiskonstruktion war allen an den Systemstrategien
beteiligten sehr wohl bewusst !>Dynamik
der Architekturen
,
In
der o.g.
Unterlage
"
Dynamik der Architekturen"
kann der Betrachter heute noch sehr genau die Härte
des Ringens um Entwicklungstempo und -Qualität gegenüber
dem Weltmarkt einerseits , aber auch gegenüber den UdSSR
- Plänen und nicht zuletzt gegenüber dem Dresdner "
DEC VAX- Nachbau" als Hauptkonkurrenten nachvollziehen.
Der Vergleich der EC 1150M mit 6 Jahren "Rückstand"
zum IBM- Vergleich gegenüber einem Rückstand von 9 Jahren
bei der 32-bit- Linie gegenüber DEC VAX 8800 spricht
sehr deutlich für sich.
Hier Auszuege
aus erhaltenen Unterlagen :
Wie man sieht, hatte sich das ESER- Systemmanagement des
Fachgebietes Geräte nicht nur mit Widrigkeiten besonderer
Art auseinanderzusetzen, sondern es gelang
-
viele wichtige Entscheidungen
zu gestalten und
-
eine große Entwicklungseinheit
von ca. 1000 engagierten Leuten noch 1989 mit unseren
technischen Zielen zu motivieren,
Wir sprachen damals im
Hause (weitgehend) offen
und ehrlich über die Realitäten und
erläuterten unsere Strategie deutlich und
für die Mitarbeiter weitgehend nachvollziehbar.
Ein Vergleich
zum damaligen Stand in der UdSSR zeigte uns einen gewissen
theoretischen "Vorsprung". Verglichen mit den
Entwicklungstendenzen in der UdSSR lagen wir 1988/89 mit
den ESER- Arbeiten mit gutem Kurs im Fahrwasser der Entwicklungen
- unter RGW- Bedingungen! Die enge Zusammenarbeit
mit den CMOS- Teams des ZMD Dresden(zum VEB Kombinat Carl
Zeiss Jena gehörig) bestärkte uns dabei.
Die Darlegungen
des ESER-Generalkontrukteurs V.V. Prschijalkowskij nach
dem Zusammenbruch des ESER bestätigen uns das. Es ist heute
insbesondere für Insider interessant, noch einmal
die Auszüge zu lesen , die wir dazu beim Generalkonstrukteur
finden > "
UEBERBLICK ESER_VVPr "
und "
Geschichte des NIZEWT (bis 2003)
".
" Unter diesen Bedingungen schwierigster Finanzlage und
des Wegganges von Spezialisten konnte der Bereich 16
trotzdem die Entwicklungsarbeiten an der ЕС-1181 und
ЕС-1195 abschließen. Die ЕС-1181 (Chefkonstrukteur
Chramzow, I.S. ) - das letzte ESER- Modell ЕС ЭВМ für
universellen Einsatz wurde gemeinsam mit der Minsker
Produktionsvereinigung für Rechentechnik (МПО ВТ )
bearbeitet. Dank der Matrix- LSI- SK I -300
, die letztendlich doch durch das Selenograder Werk
"Mikron" geliefert wurden, hatte sie ausgezeichnete
technische Daten."
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Bemerkungen
zur ESER- PC- Linie:
Wie bereits dargestellt, wurde 1987 die CMOS- Gate- Array-
Technologie für unser „ESER 4“- Projekt ausgewählt
und auf Basis der Schaltkreise U 5300/U 5500 im Hause festgeschrieben.
Die Logik-Entwurfsarbeiten und Verfahren im Fachgebiet wurden
folglich auf Verfahren unmittelbar für den Schaltkreisentwurf
erweitert. Das gab die Möglichkeit, den aus volkswirtschaftlicher
Sicht zunehmenden Anteil der Wertschöpfung für Schaltkreis-
Entwurf durch eigene Kapazitäten mitzutragen und bei Planungen
weitgehend unabhängig und schnell zu sein. Auch neue Entwurfstechnik
mußte dafür installiert werden. Das Haus platzte aus allen
Nähten!
Der erste produktwirksame Schritt auf dem Wege zu LSI-Schaltkreisen,
den unser Haus anteilig selbst bearbeitete, waren
CMOS- Gate- Arrays für den PC EC 1835. Ergänzend zu den
Basisschaltkreisen der U 80286 (Intel/80286)-Familie,
geplant bzw. gefertigt aus
dem Kombinat Mikroelektronik Erfurt wurde im PC EC 1835
eine Vielzahl von Logik- Bauteilen des IBM/AT durch
drei Typen Gate- Arrays ersetzt. Sie waren im Fachgebiet
Geräte entworfen und 1989 im VEB Zentrum für Mikroelektronik
Dresden für unsere Funktionsmuster gefertigt worden.
Dieser IBM/AT-kompatible- EC1835 war voll
funktionsafähig und stellte im ESER eine echte Spitzenleistung
dar- 1989!!
Das PC- Knowhow in Chemnitz und Sömmerda ermöglichte auch
nach der DM-Einführung umfangreiche Exporte in die UdSSR
und bot weitere Chancen.
Vielfach wurde und wird heute noch im Zusammenhang mit der
Robotron- Geschichte die Frage gestellt, ob die Zuordnung
des ESER- Mainframe Entwicklungszentrums (E2) zum Buchungsmaschinenwerk
Karl- Marx- Stadt (BWK) nicht automatisch die Aufgabe der
ESER- Mainframe- Linie bedeutete, denn das BWK-Profil lag
ja bei PC, Terminals, Floppy- Disc und weiteren Gross- Serien-
Produkten. Die wichtigste Antwort darauf war 1989 und weit
nach 1990 in Chemnitz, bildlich gesprochen, als großer Beton-
Rohbau zu sehen, das Gebäude des geplanten
Zentrums für die Endfertigung von
CMOS- Schaltkreisen. Heute ist davon noch die Baugrube
in der Nähe der Gleise am Hauptbahnhof zu sehen.
In Karl- Marx- Stadt, der Werkzeug- und Textilmaschinen
-Hochburg der DDR bestand generell ein LSI -
Mangel, der nicht ständig durch- teilweise
Embargo-behinderte NSW- Importe tragbar war.
Im Zusammenhang damit und der gewählten Orientierung auf CMOS
Gate- Arrays wurde im Bezirk Karl- Marx- Stadt eine Kooperation
der dort starken Zweige des Textilmaschinenbaus und Werkzeugmaschinenbaus
und unter Mitwirkung der TU Karl- Marx- Stadt unter
deren Rektor Prof. Manfred Kraus vorbereitet. Unter
Verantwortung von TEXTIMA wurde der Bau eines
Zentrums für die Endfertigung der kundenspezifischen Ebenen
von CMOS- Schaltkreisen als Komplexvorhaben unter
unserer Mitwirkung geplant und mit dessen Bau begonnen,
seine Kapazitäten wurden neben dem kompletten regionalen
Bedarf auch für den gesamten ESER- Bedarf für PC + Mainframes
(ESER IV) ausgelegt.
Auch diese Fakten stellen eine gewisse Bestätigung für die
Wahl unserer Strategien dar.
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Den unerwartet schnellen
Zusammenbruch des RGW hatten 1988/1989 nicht
einmal die Strategen des Weißen Hauses oder gar des Bundeskanzleramtes
vorausgesehen. Die FG E2 - Leitung rund um den ESER- CK
trafen diese Ereignisse mit dieser extremen Dynamik
natürlich völlig unerwartet....Es ging nur
noch darum, maximal
dafür zu arbeiten, möglichst vielen Mitarbeitern
eine Perspektive, d.h. die Basis für ein weiteres (zweites)
Berufsleben zu sichern!
Als unverrückbarer
Fakt steht fest: man
kann über Architekturen fabulieren oder sie nüchtern auf
einer soliden konstruktiv- technologischen Basis umsetzten.
Heute wissen wir genauer, dass die UdSSR- Entwicklungen
mit ihrer schwachen zivilen Mikroelektronik- Basis dem DDR-
Rechentechnik- Export sicher noch weitere Chancen eröffnet
hätten .. . Aber, wie der ESER- Generalkonstrukteur so lakonisch
formulierte , .. das einst so stolze ESER- System zerfiel
unter dem Sturm der historischen Ereignisse.
Was bleibt ist für viele E2-
Mitstreiter ein gewisser Stolz
auf ein interessantes Lebenswerk und für viele 1990 noch
jüngeren Kolleginnen und Kollegen eine gute Chance in einem "zweiten
professionellen" Leben.
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© Dr.Jungnickel
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