Zur Kooperation zwischen dem

NIZEWT (UdSSR) und Robotron (DDR) bei der Entwicklung der ESER- Betriebssysteme

- ein historischer und technologischer Rückblick [1]

Artikel zum 3. Symposium IDDR

 

 

Abstract: Nach einem Rückblick auf den Wirtschaftsfaktor „ESER-EDVA“ wird ein außerordentliches Software- Entwicklungsprojekt beschrieben – die zweiseitige Entwicklung aller Hauptspeicher- residenten Betriebssysteme des ESER zwischen NIZEWT und Robotron. Ausgehend von Fakten zur strategischen Rolle der ESER- Systemfamilie in der Informatik des RGW-Wirtschaftsraumes werden die Hauptinhalte der Entwicklungsarbeit bei ESER- Betriebssystemen skizziert, dabei auch eine Übersicht zu den Produkt- Äquivalenten der ESER- und IBM- Betriebssysteme gegeben, sowie Hauptelemente der SW- Entwicklungs-Technologie und die gängige Projekttechnologie bei der Kooperation umrissen.

Nachfolgend erfolgen Kurz-Betrachtungen zu Aspekten des EDVA- Systemüberganges nach 1990 in den neuen Bundesländern und in der UdSSR/Russland unter Nutzung des „System Know-hows“ der Entwickler für Professional IT- Services“, die von der hohen Kompetenz der ESER- Entwickler zeugen.

 

1.    Einleitende Bemerkungen

o 1981 bis 1990 Direktor des ESER- Entwicklungszentrums Karl-Marx-Stadt (Fachgebiet Geräte „E2“), dessen Vorgänger bereits 1957 als „VEB Elektronische Rechenmaschinen Karl Marx-Stadt“  (ELREMA) gegründet wurde.

o 1980 bis 1990 „Chefkonstrukteur der DDR im  ESER“. Im Rahmen der Arbeit des „Rates der Chefkonstrukteure“ der MRK Rechentechnik auch international für die DDR – Belange dieser Erzeugnislinie verantwortlich.

o 1990 bis 1991 Vorstand „Entwicklung und Technologie“ der ASCOTA-AG, u.a. weiter verantwortlich für die Geschäftsbereiche des Entwicklungszentrums.

o 1992 bis 2007 tätig im Projektgeschäft von „Siemens Business Services..“ in Osteuropa

 

1.1.        Zum Wirtschaftfaktor ESER- EDVA

Einleitend soll hier zunächst kurz der enge Zusammenhang der DDR-Arbeiten an der ESER- Mainframe- (EDVA)-Linie und der Arbeiten an den ESER- Betriebssystemen umrissen werden:

 

1.2.  Das historische Umfeld –

Abbildung : Zeitrahmen der ESER- Kooperation und Epochen der Staatsmacht

Zunächst ein kurzer historischer Rückblick zum damaligen „strategischen Umfeld“:

 

Unter den umrissenen Rahmenbedingungen realisierten viele leistungsfähige Teams in Forschung , Entwicklung und Produktion Außerordentliches!

Wichtigstes letztlich tragendes Ergebniss zum ESER-Ende 1990 waren

2.       Historischer und technologischer Rückblick auf ein außerordentliches Software- Entwicklungsprojekt

 

2.1.  Zur ESER- Architektur und dem Betriebssystemkonzept

CISC- Rechner (Complex Instruction Set Computer) waren bis weit in die 80ger Jahre wegen der technischen Realisierungsbedingungen international typisch. Die Befehlsstruktur musste wegen extremer Bit- Kosten speicheroptimal sein, eine starke technische Modularität mit Parallelabläufen war für Großrechner zwingend und komplexe Maschinenbefehle benötigten hohen Logik- und Technikaufwand.

Die IBM/360 - Architektur war sowohl im Ankündigungsjahr 1964 als auch zum Start- Zeitpunkt der ESER- Arbeiten 1968 eine höchst innovative und weitreichende „360 Grad“- Universal-Konzeption und für die Belange der geplanten „REIHE“ des ESER ein ideales System-Design. Sie zeichnete sich durch folgende Haupt-Aspekte aus [8],:

 

Abbildung Befehlsformate IBM/  360/370 und Abstract der legendären Ankündigung der /360-"Architecture"

 

Die echte Auf- und Abwärtskompatibilität auf Bit- Niveau der Maschinensprache, hinweg über eine Familie von 6 Modellen und einer Performance- Spanne Faktor 50 (!) war eine Sensation. Allein das machte das /360-Konzept zum idealen ESER-Prototyp (Vorbild). Seine Entwicklung zum weltweiten Industriestandard gab auch den RGW- Ländern in der EDV-Politik Sicherheit und Kontinuität und sorgte für einen weitgehend einheitlichen Mainframe-Markt incl. Peripherie.

Der Grundsatz der gesamten ESER- Arbeiten bestand in einer „Prototyp“- nahen Systementwicklung. Als technische und technologische Herausforderung stand im ESER vorrangig die Implementierung des Systemkonzeptes und der Operations-Prinzipien der IBM/360 bzw. /370 Architektur durch einem eigenen Logikentwurf und deren technischer Realisierung mit RGW- Schaltkreisen/Material gemäß dem UdSSR- Standard GOST 25122-82 „Basiskonstruktionen der technischer Mittel des ESER (TM ESER)“.

Zu einigen Aspekten der Architektur der Betriebssysteme:

 
       6   Befehlsinterpreter   User-Programme
5 User-Interfaces Middleware
 4 E/A Verwaltung DFV/Netz- Verwaltung
3 Dateiverwaltung  
2 Speicherverwaltung
1 Prozessverwaltung
0 Hardware

2.2.  Hauptinhalte der Zusammenarbeit UdSSR-DDR bei ESER-Betriebssystemen [9]

DDR- Softwarespezialisten hatten bereits im Vorfeld der Gründung der MRK gegenüber UdSSR- Fachleuten die Eigenschaften der /360- Architektur überzeugend darstellen können. Ab Gründung der MRK (12/1968) erfolgten alle ESER- Betriebssystem- Arbeiten in der DDR in enger Zusammenarbeit mit der UdSSR, ab ca.1973 dann arbeitsteilig auf kommerzieller Basis mittels paritätischer Lizenzverträge. Ein einheitliches Betriebssystem war die Voraussetzung der geplanten DDR-Exporte in die UdSSR und für die UdSSR ergab sich die dringende Lösung ihres Manpower- Problems.

Zunächst zum Inhalt:

Unter Federführung zweiseitiger Spezialistengruppen UdSSR/ DDR wurden Konzeptionen (Systemkonzepte) für einzelne Entwicklungsetappen der Betriebssysteme des ESER- Systems (ESER I, ESER II, ESER III) erarbeitet, deren Inhalte wurden durch den zuständigen mehrseitigen Spezialistenrat №1 bzw. dessen ständige Arbeitsgruppe OC- EC „Operationssysteme“ (später “Sektion“) des RCK ESER beschlossen und in den internationalen „Entwicklungsplan“ (ESER- Chiffre) aufgenommen. Entwickler der Operationssysteme[10] waren die UdSSR /DDR.

  Den Arbeitsinhalt der einzelnen Entwicklungsabschnitte der Betriebssysteme bestimmten:

Die nachfolgende Tabelle (TabelleEDVA) zeigt aus DDR- Sicht die Komplexität der langjährigen Entwicklung der ESER- Operationsprinzipien und der Dynamik der Betriebssystem- Entwicklung. Relevant dafür war neben den Operationsprinzipien der aktuellen „REIHE“ die Entwicklung der Hauptspeicherkapazität, speziell der DDR- und UdSSR- Modelle, sowie der Plattenspeicher- Technologie und DFV- Komplexe.

Mit den technologischen Entwicklungen ergaben sich Möglichkeiten und Erfordernisse, immer leistungsfähigere Steuerprogramm-Konfigurationen zu unterstützen und umfangreiche weitere Softwarekomponenten (Datenfernverarbeitung, Teilnehmerbetrieb, Sprachen und Compiler, Dienst- und Serviceprogramme u.a. ) bereitzustellen.

 

Tabelle „Grobübersicht ESER-EDVA der DDR“

Modell

Befehlszahl

HS-Ausbau

Haupt-Betriebssysteme

EC 1040

1974-1980

143 Befehle (ESER I)

1 MByte (256KByte pro Schrank)

DOS EC ; OC- EC/MFT,

OC- EC/MVT

EC 1055

1979-1984

173 Befehle (ESER II) + 2 Emulationsbefehle+ 37 MaMo- Befehle

2 MByte  (1MByte/ Schrank)

OC-6.1. (SVS) /EC

EC 1055M

1983-1986

182 Befehle (ESER II- erweitert )

(37 MaMo- Befehle)

4 MByte (max.2 Schränke )

OC-6.1.(SVS) /EC
SVM /EC

EC 1056

1985-1989

182 Befehle (ESER II-erweitert) + interne SVM Mikroprogramm- Makros

4 MByte (max. 1 Schrank)

OC- 7.1./EC mit

SVS 7.1./EC,SVM 3.0./EC

BPS 7.1./EC

EC 1057

Auch als Doppel-prozessor-Model

1989-1990

203 Befehle (ESER III);

16 MByte (mit Coprozessor/ 2 Schränken)

OC -7.2. EC mit

SVS- 7.2./ EC, SVM- 3.5 /EC, BPS 7.2./EC

MVS.2(SP)/EC (ab 1989)

 

Deutlich war diese Entwicklung am Beispiel der Zahl der im Multiprogrammbetrieb verwalteten Tasks (MFT oder MVT) durch Nutzung der virtuellen Adressverwaltung und der Aufgabensteuerung ( Job/Task- Control) zu beobachten, sowie später der Zahl der durch eine Steuerprogrammkonfiguration verwalteten virtuellen Adressräume, d.h. SVS (Single Virtual Storage) oder im ESER sehr viel später die aufwendige MVS – (Multiple Virtual Storage)- Verwaltung mehrerer virtueller Adressräume.

Eine besondere Bedeutung erlangte in den 80ger Jahren auch das Konzept der virtuellen Maschine (SVM). Die Spezifik des SVM bestand in der Weiterentwicklung der Virtualisierung einzelner Mittel des Rechners (Hauptspeicher, Peripheriegeräte...) hin zur Virtualisierung einer ganzen EDVA. SVM gestattete die Einrichtung und Verwaltung von mehreren virtuellen Maschinen und die parallele und völlig unabhängige Arbeit mehrerer Nutzer auf einer Anlage. Der autorisierte Nutzer musste dafür jeweils ein ESER-Betriebssystem oder ein system-unabhängiges Dienstprogramm nutzen. Insbesondere im Entwicklungsbetrieb durch mehrere Test- und Diagnosesysteme oder bei der Arbeit mit stark vertraulichen Inhalten verschiedener Nutzer ergab sich eine hohe Informations-Sicherheit. Ab dem OC 7.1./EC wurden in der UdSSR- DDR- Kooperation mehrere SVM- bezogene Teilsysteme bearbeitet, die Systeme BPS 7.1./EC.und SVM 3. /EC im SVS 7.1./EC. Obwohl SVS und BPS vorrangig für den Stapelbetrieb konzipiert waren, arbeitete das sowjetische „Basisbetriebssystem“ BPS ausschließlich unter einer virtuellen Maschine.

Beginnend mit OC 7 /EC (1983) war eine gewisse Trennung der Produktpolitik zwischen der UdSSR- Linie des OC 7 und in den DDR-Kunden-Versionen nicht vermeidbar[11]. Die UdSSR- Partner erarbeiteten eine Originalstruktur des OC 7.1. /EC ohne ausländisches Vorbild. Auf der UdSSR- Seite begann eine teilweise Abwendung von IBM- Vorbild- Lösungen. Die in der DDR zur Auslieferung gekommenen Systeme OC 7.1/ EC und nachfolgend OC 7.2./ EC sind in den entsprechenden Artikeln der DDR-Entwickler genau beschrieben.[12] Spezifische Eigenschaften, die das SVM bietet (hochgradige Nutzertrennung, Informationsschutz u.a. für wichtige Großanwender in der UdSSR) waren dominant dafür, dass das OC 7.2./EC spezifisch strukturiert wurde. Bei der breiten Masse der DDR- Anwender blieben die IBM- nahen Konzepten weiterhin favorisiert und Robotron machte Kundenberatung für OC 7.2./EC mit SVM.

Die zunehmende SVM-Dominanz in der Systempolitik des NIZEWT und im Hauptexportland UdSSR war auch der Hauptgrund der Ausstattung der EC 1056 mit einem leistungsfähigen mikroprogrammresidenten Satz von SVM- Makros, die die SVM- Performance bis zu 50% erhöhen konnten.

 

2.3.  Aufgabenstellung und Technologie der ESER- Kooperation und des Projektmanagement

 

Die ESER- Betriebssystem- Arbeiten in der DDR nach Gründung der MRK (12/1968) erfolgten, wie bereits ausgeführt, arbeitsteilig mit der UdSSR auf kommerzieller Basis mittels zweiseitiger Lizenzverträge. Das jährliche vertragliche Volumen betrug im Höhepunkt der Arbeiten ca. 600 Mannjahre, jede Seite erbrachte strikt 50% der Leistung  und übergab diese dem Partner als Lizenz. Die Finanzierung war also ein 0- Summen- Clearing, beide Seiten wurden Eigentümer des Gesamtsystems.  

Die Methodik der inhaltlichen Definition der Entwicklungsabschnitte basierte auf einer ausführlichen Analyse entsprechender Unterlagen zur Strategie der IBM und anderen IBM- Publikationen. Da die ESER- Entwicklung mit ca. 4 Jahren Versatz zum Vorbildsystem startete und im Verlaufe der Arbeiten etwa 8 Jahre Abstand hinnehmen musste, bestand die Erarbeitung der „Aufgabenstellung“ für die nächste Etappe des ESER- Betriebssystems vorrangig in der sorgfältigen Analyse der Produktpolitik und  von Publikationen der „Prototyp- Firma“. Es wurden auch deren Original- Produkte analysiert bzw. ausgewertet, denn sowohl die UdSSR, als auch die DDR konnten für bestimmte Unternehmen (z.B. für die Zentralverwaltung für Statistik oder das Kombinat Datenverarbeitung) auch gemäß Exportbestimmungen der USA- Regierung  Original- EDVA  importieren[13]. Die Auswertung der mitgelieferten Unterlagen war dann auch unseren ESER- Spezialisten möglich. Auch aktuelle Maschinenzeit für Testarbeiten für ESER- Betriebssysteme stand so zur Verfügung.

Ziel der Arbeiten war die Entwicklung vertriebsfähiger ESER- Betriebssysteme gemäß dem damals international gültigen Stand des Software- Urheberrechtsschutzes. Die Prototyp- nahe Systementwicklung erforderte keine umfangreichen eigenen konzeptionellen und systemtechnischen Vorlaufarbeiten in der mehrseitigen oder zweiseitigen Kooperation, wohl aber gute Systemkenntnisse und umfangreiche „handwerkliche Arbeit“. Schließlich mussten die Anwender sich darauf verlassen können, dass sie kurzfristig zu jeglichen Funktionsabweichungen eine Lösung erhielten (batches, Umgehungslösungen,.) sowie längerfristig das Problem grundsätzlich behoben wurde (Ausgaben, Versionen) .  

Am Start der Kooperation wurden die Prinzipien der Entwicklungstechnologie definiert und später laufend ergänzt. Folgende Haupt-Elemente waren relevant:

Zu Beginn einer neuen Entwicklungsetappe erfolgte die genaue Auswahl eines Prototyp- Produktes, dessen Einzelkomponenten (d.h. einzelne Funktionsbereiche wurden ggfls. zeitlich vertagt) und die Definition des Rahmenzeitplanes der Entwicklung bestimmter Teilsysteme, sowie der Arbeitsteilung. Es wurde sowohl arbeitsteilig nach Funktionsmoduln gearbeitet, aber später auch Versions- bezogen. Daher bestand keine durchgängige Spezialisierung der Seiten auf bestimmte typische Moduln, jedoch mehr Flexibilität in der operativen Arbeit.

UdSSR- und DDR- Beauftragte und die Softwareteams beider Seiten erarbeiteten zur Vorbereitung des nachfolgenden Vertragsabschnittes detaillierte Aufgabenstellungen mit Funktions-Beschreibung einzelner Moduln, Terminen, Schnittstellen und Zwischenetappen. In späteren Jahren wurden so auch vom Prototyp abweichende  Systemkonzeptionen (z.B. BPS der UdSSR) erarbeitet und vertraglich vereinbart.

 

2.4.  Zum Projektmanagement und Arbeitsklima

Die Entwicklungsarbeiten wurden, gemäß heutiger Terminologie, durch ein paritätisch besetztes Projektboard („Entwicklungsleiter“) mit 3-4 Meetings im Jahr geführt. Für einzelne Themengebiete bestanden Teilprojekte mit Teilprojektleitungen, deren Verantwortliche i.d.R. jeweils die Leiter ganzer Bereiche, Abteilungen oder Gruppen waren. Diese verantworteten die Entwicklungsarbeiten ihrer Seite und berichteten im Vertragsrahmen an das Projektboard. Vertrags- Abschlüsse oder Grundsatzfragen zum Vertrag wurden auf Ebene der Direktoren der Betriebe (NIZEWT/ Robotron-E2) geregelt. Differenzen auf Ebene der Direktoren bestanden sehr selten.

Während der jahrelangen fruchtbaren Kooperation entstanden viele persönliche Kontakte. Kameradschaftliches Miteinander und gegenseitige Unterstützung waren die Regel. Es gab nicht wenige persönliche Freundschaften zwischen den Mitarbeitern. Trotz bestimmter Regelungen der Sicherheitsdoktrin der UdSSR entstanden zu keiner Zeit Spannungen, „persönlich“ und „dienstlich“ waren zwei paar Stiefel. Die übergroße Mehrzahl der DDR- Mitarbeiter war froh und motiviert, in einem derartigen Team zu arbeiten.

Ein Detail: Übergaben der Zwischenstände/ Endergebnisse erfolgten auf ½ Zoll Magnetband–Cartridge, später auch auf 14“ Plattenstapeln. Das war in der grenzüberschreitenden Kooperation der einzig praktikable Weg für die umfangreichen Softwarekomponenten und Systeme, die oftmals mehrere MByte groß waren. Anfangs wurden aus Vertragsgründen zusätzlich noch Papierausdrucke übergeben. Dafür mussten ganze Zugabteile mit Papier beladen werden. Der technische Aufwand derartiger Übergaben, aber auch die Einschränkungen in der Kommunikation mit dem Partner sind heute nicht mehr vorstellbar. Auch nicht die KGB Restriktionen. Anfang der 80ger Jahre wurden Sonder- Genehmigungen für online- Verbindungen erteilt. Bei der Kooperation Robotron/ NIZEWT wurden erstmals im UdSSR- DDR- Datenverkehr 1,2 Kbit/s Wahlleitungen/Modems eingesetzt, die teilweise nächtelang in Betrieb waren. Eine spürbare Erleichterung vor allem der operativen Kommunikation trat ein.

 

3.       ESER- und IBM  Produkt-Äquivalente der Hauptbetriebssysteme

 

Dieser Aspekt der Kooperation kann im Rahmen dieses Vortrages wohl am besten durch die Graphik „Grobübersicht ESER-OS und Prototyp- Bezüge“ umrissen werden. Details im Bereich SVM siehe auch [15] .

 

 

 

 

Zur Frage, in welcher Weise seitens der ESER- Software-Entwickler „nach“- gedacht wurde, sind oben bereits Ausführungen erfolgt. HIer noch einige ergänzende Fakten. In einem heute typischen Software- Projekt- Ablauf sind i.d.R. die folgenden Stufen zu durchlaufen

 

 

 

Grob-Analyse

Aufgaben-Stellung

System-Konzept/ Grobentwurf

Fein-Entwurf

Entwicklung des Programm-Code

Test/ Modul-Integration

Entwicklungs-Abschluss, Auslieferung

Nach-Betreuung

 

Gemäß der fixierten ESER- Entwicklungstechnologie wurden alle Programmier- und Dokumentationsarbeiten etwa ab der Stufe „Feinentwurf“ in hohem Maße eigenständig erbracht, mit definiertem eigenem Code-Anteil, mittels eigener ESER- EDVA und eigener technologischer Software. Eine abweichende Entwicklungs- Technologie wurde ab ca. 1987 bei den MVS- Arbeiten mit / 370  Architektur eingeführt. Sie betraf vor allem den Grad des Eigenanteiles an Code. 

Das erfolgreiche Projektmanagement nutzte Managementsysteme (Projektplanung u.a.), die heute üblichen Verfahren sehr ähnlich waren. Infolge der heute primitiv zu nennenden Kommunikations- und technischen Bedingungen (z.B. kaum Telefonate, „Textverarbeitung“ mit EDVA u.a.) des Zusammenwirkens über Grenzen war die Leitung (V.: Leonid Raikow/ Walter Münch) eine besonders anspruchsvolle  Leistung. Der Abstimmungs- und Integrationsaufwand zwischen den Entwicklungspartnern war nur durch strikte Disziplin, Einhaltung der technologischen Vorgaben und hohe Kompetenz beherrschbar.

Der „Programm-Start“ ab dem „Feinentwurf“ erforderte hohen Aufwand zur Einarbeitung in die Logikwelt des Prototyp-Produktes plus Aufwand zur Anpassung an eigene Gerätekomplexe und deren Unterstützung und Diagnose, wie E/A- Geräte, Displaysysteme, Fernverarbeitungsgeräte, Mehrrechner-Kopplungen u.a.. Alle diese Aspekte, sowie der Erhalt der Fähigkeit, im Falle der Notwendigkeit die ESER-Entwicklung vollständig eigenständig weiterführen zu können , erforderten  eine vollständige inhaltliche Beherrschung des Produktes . Diese Notwendigkeit ergab sich auch für den Fehlerfall (!) beim Anwender.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Prototyp-Orientierung überhaupt erst die praktizierte Form der ESER- Arbeitsteilung ermöglichte. Sie erhöhte die Sicherheit von Systementscheidungen und logischen Teillösungen außerordentlich und senkte den Konzeptions- und Entwicklungsaufwand stark. Richtig ist aber auch, dass der für eine wirtschaftlich und technologisch stabile Entwicklung der Produktlinie erforderliche und auch erreichte Grad der unbedingten logischen Beherrschung aller Programm- Elemente (incl. Bearbeitung von Funktionsabweichungen, Fehlern und Umgehungslösungen) einen hohen personellen Aufwand erforderten und durch ein großes Team von ESER- Entwicklern bei E2 zweifellos gut beherrscht wurde.

 

4.      Systemübergänge 1990 in Ostdeutschland und Russland/GUS

 

Die politischen und damit einhergehenden wirtschaftlichen „Paradigmenwechsel“ des Gesellschaftssystems vollzogen sich in Ostdeutschland und in der ehem. Sowjetunion etwa zur gleichen Zeit, aber wie bekannt unter extrem unterschiedlichen Rahmen-Bedingungen. In beiden Ländern waren 1990 die ESER- EDVA die dominierende Basis der Informations- und Datenverarbeitung in Behörden und Verwaltung, Finanzwirtschaft, Verkehr und allen anderen lebenswichtigen Bereichen des Landes. In der DDR waren 1990 ca. 350 EDVA Anlagen im Einsatz. In der UdSSR waren im Jahre 1990 noch ca. 10.000 ESER- EDVA im Einsatz.

Die mit dem Wechsel verbundene Erneuerung der Informations- und Datenverarbeitung war in Ostdeutschland dominiert von einer Eingliederung in das bestehende Wirtschafts-, Verwaltungs- und Rechtssystem der BRD in extrem kurzen Übergangsphasen. In der UdSSR erfolgte der „Wechsel“ bekanntermaßen in einem mehrjährigen Prozess bei offenen Landes-Grenzen und freier Valutawirtschaft und einem widersprüchlichen nationalen Kräfteringen.

4.1.        Wenige Aspekte des DV- Systemüberganges in den neuen Bundesländern

Neuinvestment oder Austausch von ESER- EDVA war dank der IBM- Kompatibilität des ESER beinahe ein Selbstläufer. IBM oder Siemens (Siemens trotz nicht kompatibler Plattensektoren) „erhielten“ in den Regionen Ostdeutschlands jeweils ihren Marktanteil für Ersatzinvestitionen im Regierungs- und Verwaltungssektor, sowie bei Banken. Jeder Leiter brachte „sein System“ mit. Der Wandel bei privaten Unternehmen bestimmte sich vielfach durch wirtschaftlichere Client-Server- Systeme mit INTEL- bzw. IBM/PC-Architektur. Diese neuen Mainframe- und PC- Architekturen waren den zahlreichen guten IT/DV-Fachleuten der neuen Länder aus ihrer DDR-Tätigkeit bestens bekannt,

Die beiden bereits genannten Key- Player des deutschen IT/DV – Marktes engagierten sich in den neuen Ländern in deutlich unterschiedlicher Weise.

 Siemens praktizierte die Übernahme von Kennern des Ostmarktes und baute damit Vertriebsstrukturen auf. Und es erfolgte eine Verlagerung von IT-Auslaufprodukten nach Ostdeutschland, eine Art Arbeitsbeschaffung und Vorstufe des aktuellen Produktions- Outsourcings.

IBM Deutschland orientierte neben dem zielstrebigen Aufbau eines Vertriebsnetzes (ausschließlich für die BRD!) bereits auf den Aufbau ihrer „Professional IT-Services“ und verfolgte zielstrebig die Einbindung der besten Robotron- Systementwickler in diese Strukturen. Durch Gründung der „IT Solutions and Services GmbH“ (zunächst als Joint Venture, später als 100%-ge Tochter, heute „ITSAS“) fanden 1990 zunächst 220 der erfahrensten ESER- Entwickler in Chemnitz eine Perspektive. Weitere IBM-Aktivitäten erfolgten bei Robotron Vertrieb Berlin und Leipzig. Heute hat die ITSAS- GmbH[16]  10 Standorte in der BRD und ca. 1200 Mitarbeiter. Im „Global Services Verbund“ der IBM leisten die relativ wenigen noch aktiven ehemaligen Mitarbeiter hochwertige IT-Beratung und –Umsetzung.

Die konsequente Orientierung des Teams von E2 auf die ESER- Architektur erfährt so in Chemnitz eine nachhaltige erfolgreiche Weiterführung der professionellen Tätigkeit vieler Menschen.. Auch vielen anderen Firmen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg half das gute ESER- Know –How ihrer Gründer und Mitarbeiter in der Startphase.

4.2.        Kurz zum Systemübergang nach 1990  in Russland

Mit dem Zerfall der UdSSR mussten ESER- Produktion und -Services 1990/91 eingestellt werden. Wartung und Modernisierung der Maschinen (neue Plattensysteme!)  wurden extrem schwierig. Bis 1999 blieben dennoch ca. 5000 ESER- EDVA vorrangig deshalb im Einsatz, weil deren Anwender-Programmsysteme lebenswichtig waren.

In den neugegründeten „MBO“- Firmen „Restart“ und „EC-Leasing“ realisierten NIZEWT- Mitarbeiter „Professional Services“, die äußerst schnelle Migration der Anwender- Software der ESER- Nutzer auf modernere IBM- Plattformen , ohne großen Aufwand, kompatibel ist kompatibel! Ein größerer Teil der Mitarbeiter des NIZEWT ist auch heute noch mit „IT Solutions und Services“ für die große Zahl der ehemaligen ESER-Anwender im Staats- und Regierungsapparat und in Staatsbetrieben tätig, die bis heute als IBM-Anwender (!) vertrauliche Anwendungssysteme, Daten-Netze und Hochleistungsrechner-Komplexe nutzen. Diese wurden teilweise selbst entwickelt und werden mit höchster Kompetenz und Vertraulichkeit im IT-Service betreut, wie auch Rechnerkomplexe und Spezialsysteme -Derivate aus den ESER- Betriebssystemen.

 

5.      Résumé

 


 

Anmerkungen und Verweise

[1]NIZEWT“ war das Leitinstitut des ESER und Sitz des Generalkonstrukteurs des ESER ,

 „VEB Kombinat Robotron“ war das verantwortliche Kombinat der DDR für Entwicklung, Produktion und Kundenservices von Mitteln der Rechentechnik/ Datenverarbeitung

[2] Zum Gesamtkomplex siehe z.B.  http://eser-ddr.de/RechentechnikderDDRimESER.htm

[3] EDVA- Elektronische Datenverarbeitungsanlage im Sinne einer nutzungsfähigen Gesamtkonfiguration incl. Peripherie und Betriebssystem und ggfls. Basissoftware

[4] Hier wurden auch DOS , Netzbetriebssysteme u.a. anderer Entwickler eingerechnet;

[5] In der UdSSR erfolgte die Komplettierung durch den Systemdienst VO SojusEVM Komplex

[6] Die UdSSR- Entscheidung erfolgte durch Entscheidung der Kommission für RT der ADW der UdSSR am 27.01.1968 unter AM A.A. Dorodnizyn,

7 siehe u.a. PB- und MR – Beschluss vom 23.06.1964 / 03.07.64: "Programm von Maßnahmen zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung in der DDR in den Jahren 1964 bis 1970“

[8] IBM JOURNAL OF. RESEARCH AND DEVELOPMENT  VOL.8.  NO. 2 1964   http://www.research.ibm.com/journal/rd/441/amdahl.pdf

[9] siehe ausführlich http://www.eser-ddr.de/BetriebssystemeEDVAdesESER_2.htm

[10] In einer späteren Phase kamen die CSSR und die UVR als DOS3- Entwickler hinzu.

[11]  Details http://www.eser-ddr.de/BetriebssystemedesESER-UdSSR-Ueberblick_000.htm#_Toc163133835

[12] Übersichtsartikel dazu siehe   http://www.eser-ddr.de/Artikelsammlungundsitemap.htm

[13] In der DDR erfolgten Import nach Genehmigung durch ein „Bilanzorgan“ – für IT/DV das MEE

[14] Siehe V. Prschijalkowskij „Betriebssysteme des ESER“ http://www.eser-ddr.de/BetriebssystemedesESER-UdSSR-Ueberblick_000.htm

[15] siehe hierzu (14 )

[16] http://www.itsas.de/