Prof. Dr. G. Merkel

Auszüge aus dem „Betriebsblatt  VEB Kombinat Robotron“ bzgl Vorgeschichte und Fakten zum ESER

gekürzte Fassung ; Original siehe http://robotron.foerderverein-tsd.de/111/robotron111a.pdf

 

Der VEB Kombinat Robotron aus der Sicht von  N. C. Davis (US CIA) und S. E. Goodman (Princeton University)  in Computing Surveys, Vol.10, No. 2, June 1978, P 93-121:

„…Der VEB Kombinat Robotron, der Hersteller der ES 1040, ist in den Augen westlicher Beobachter die beste Rechnerfirma im Ostblock.

Die Forschungs-, Entwicklungs-, Produktions- und Ausbildungsstätten befinden sich in verschiedenen Gebieten der DDR, wobei der Hauptsitz in Dresden ist. Ein  Großteil der Produktion der ES 1040 ist noch nicht automatisiert, jedoch ist die Ausführung der Arbeiten von hoher Qualität ... Das Leitungspersonal und die Ingenieure von Robotron sind sehr fähig, und Wartung, Service und Ausbildung finden nicht ihresgleichen im RGW. ...“(ins Deutsche übersetzt von Merkel, G.)

Der VEB Kombinat Robotron nach Klaus Krakat  in der „Schlussbilanz der elektronischen Datenverarbeitung in der früheren DDR“ von 1990  ([26], S. 35, S. 40):

Robotron repräsentierte  rund 21 Jahre hindurch die EDV-Industrie der DDR.“
“Richtig ist, dass man sich innerhalb des RGW zur Nummer Eins auf dem Gebiet der elektronischen Rechentechnik entwickelt hatte.“


Kurzcharakteristik


Der VEB Kombinat Robotron wurde am 1.04.1969 gebildet und existierte bis 1990, Sitz Dresden. Das Kombinat war in der DDR  alleinverantwortlich für die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb von Elektronischen Datenverarbeitungsanlagen, Klein- und Mikrorechnern, Personalcomputern, Prozessrechnern, Steuerungsrechnern für Nachrichtenvermittlungsanlagen und die zugehörigen Betriebssysteme, Standardanwendungssoftware und Softwaretechnologien.   … . Ab 1977 wurden dem Kombinat die Betriebe der Büromaschinenindustrie und weitere branchennahe Betriebe eingegliedert;  die Belegschaft stieg damit von ursprünglich  17 000 Mitarbeitern auf 68 000 Beschäftigte, die Zahl der Betriebe auf 21 und der Umsatz auf 12,8 Milliarden DDR-Mark im Jahre 1989.

Das Kombinat verfügte über das zentrale Forschungs- und Entwicklungszentrum der DDR zur Rechentechnik, realisierte Entwicklung und Produktion in seinen Betrieben. Das Kombinat war als Generalauftragnehmer kompletter Rechenzentren einschließlich der erforderlichen Bau- und Installationsleistungen tätig. Es hatte Schulungs- wie auch Serviceleistungen für elektronische Rechentechnik und  Büromaschinen zu erbringen sowie in ausgewählten Anwendungsrichtungen Projektierungs- und Realisierungsleistungen. Zum Leistungsumfang gehörten ferner die Entwicklung und Produktion von Ausrüstungen für die Fertigung sowie Prüfung elektronischer Baugruppen und Geräte, die Entwicklung und Produktion von Befehlsgeräten und  eines Sortiments elektronischer Konsumgüter (Heimcomputer, u.a. ausgewählte Rundfunkgeräte und tragbare Fernsehgeräte) sowie ab 1979  elektronische Messtechnik.
Ab 1978 war das Kombinat auch für die Außenhandelsbeziehungen bei Rechen- und Büromaschinen vermittels des zu ihm gehörenden volkseigenen Außenhandelsbetriebes Robotron Export-Import direkt verantwortlich.
 

1.  Kombinatsbildung und -struktur 1969 bis 1990

 1.1.        Die Rolle der Computertechnik im gesellschaftlichen System der DDR - Grundlage des Wirkens des VEB Kombinat Robotron

Die Führungsspitze der SED unter Walter Ulbricht  und die Regierung der DDR sahen im Zeitraum  ab etwa 1956 und fortdauernd bis 1971, anders als die KPdSU-Parteiführung, die „elektronische Rechentechnik“ (auch als maschinelle Rechentechnik oder Elektronische Datenverarbeitung bezeichnet) als eine der maßgeblichen Triebkräfte für die gesellschaftliche Entwicklung. Folgerichtig erhielten W-Kämmerer und H. Kortum für ihre Leistungen bei der Entwicklung des ersten in der Industrie geschaffenen und insbesondere für die Berechnung optischer Systeme genutzten Computers „OPREMA“  1955 den Nationalpreis für Wissenschaft und Technik erster Klasse. 1957 wurde der „Wissenschaftliche Industriebetrieb VEB Elektronische Rechenmaschinen“ in Karl-Marx-Stadt (jetzt  Chemnitz) gegründet , 1961 in Dresden das Zentralinstitut für Automatisierung (hervorgegangen aus einer Verlagerung von Jena und mit  Kapazitäten aus der Auflösung der Luftfahrtindustrie, 1964 umgestaltet zum  Institut für Datenverarbeitung „idv“. 1961 wurde auch die Arbeitsstelle für Molekularelektronik  Dresden gebildet,  1976 gewandelt zum Institut für Mikroelektronik Dresden IMD, Vorläufer des 2005 noch bestehenden ZMD.  Der Zeiss-Rechenautomat ZRA 1 ging 1961 in Serienfertigung, 32 Stück wurden produziert. Die unterschiedlichen Initiativen an Hochschulen und in der Wirtschaft bündelte eingesetzte eingesetzte DDR-Regierungskommission zu dem 1964 dann beschlossenen umfassenden ersten Datenverarbeitungsprogramm der DDR ([29]). Zentrale Aufgabe bis 1970 war es, Datenverarbeitungsanlagen der zweiten Generation unter dem Namen „Robotron 300“ zu produzieren und effektiv in Wissenschaft und Wirtschaft zu nutzen. Dazu wurden umfassende strukturpolitischen Maßnahmen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft festgelegt. Es entstand die Basis für eine leistungsfähige Computerindustrie, gemessen im Maßstab des sozialistischen Wirtschaftsgebietes; und im Zeitraum 1960 bis 1971 gab es den stärksten Wirtschaftsaufschwung zu DDR-Zeiten, gekoppelt mit Experimenten in der sozialistischen Planung und  in der Wirtschaftsführung … .

 
Von der Entwicklung  der Computertechnik  in den USA und deren Verbündeten waren die DDR und die anderen RGW-Staaten abgeschnitten. Warenlieferungen, Wissenstransfer und Lizenzvergaben unterlagen dem durch die NATO-Staaten und Japan verhängten Embargo.

 

Unter dem ..SED-Chef  und Staatsratsvorsitzenden W. Ulbricht kam es um 1970 immer stärker zu  Disproportionen  in der Wirtschaft. Eine Energiekrise und Missernten verschärften die Lage. Ideologische  Unterstützung für die Entwicklung der Computerindustrie und Mikroelektronik gab es aus Moskau nicht; den Wünschen der DDR zur perspektivisch notwendigen direkten Zusammenarbeit auf diesen Gebieten standen in der UdSSR Geheimhaltungsvorbehalte entgegen. Offenbar gab es in der Führung der UdSSR auch ein gewisses Unverständnis für die Bedeutung dieser Technik über die Raumfahrt- und Kerntechnikbelange hinaus,  obwohl Mitte der sechziger Jahre die UdSSR Erfolge in der Computerentwicklung (BESM 6, URAL-Serie, Minsk-Serie u.a.m.) als Ergebnisse einer von der Basis getragenen Initiative nachweisen konnte.
.. Walter Ulbricht wurde 1971 von seinen Funktionen entbunden und durch Erich Honecker ersetzt. Die Periode der Förderung der Rechentechnik und ihrer Anwendung endete. Honecker änderte den Kurs der Wirtschaftsentwicklung grundlegend u.a. mit der Folge, dass Elektronik und Computertechnik auf  intensive Reproduktion verwiesen  und die für diese Zweige objektiv erforderliche überproportionale Entwicklung bei Investitionen und personellen Fonds nicht statt fand. Von der UdSSR gingen weiterhin keine Impulse zur organisierten Förderung der Computertechnik aus, Honecker und ihm folgend  die SED-Führung handelten somit politisch korrekt. 1977 begriff die DDR-Führung ihre Versäumnisse, 1980 erkannte auch die Führung der UdSSR das  Zurückbleiben bei der Entwicklung der Mikroelektronik und der Computertechnik gegenüber den Entwicklungen in den USA und in Japan sowie die Rolle dieser Techniken für die Entwicklung der Produktivkräfte. Der RGW beschloss, die Volkswirtschaften zu  „elektronifizieren“ (Punkt 1.1.9 des RGW- Komplexprogramms). In der DDR wurden  ab 1980 Förderprogramme für die Mikroelektronik wirksam, nicht jedoch für die Computerindustrie und die Computeranwendungen. Ab 1984 wurde zwar eine Kampagne zur Schaffung von CAD/CAM-Arbeitsplätzen politisch gefordert und durch die zentrale Wirtschaftsführung eingeleitet, jedoch ohne die materielle und die personelle Basis in der Computerindustrie auszubauen und das Investitionsvermögen der  Nutzer für Anwendungen anzuheben. Nützlich für den Übergang zu einem „computerangepassten“ Denken in allen gesellschaftlichen Bereichen war diese Kampagne jedoch zweifelsfrei.
Aus diesen Rahmenbedingungen leiten sich vier Entwicklungsphasen für die Computertechnik in der DDR ab:

 

-  Eine Phase der spontanen Entwicklungen ab 1950, in der die Computerpioniere die Entwicklung im wesentlichen selbst bestimmten.

 

-  Ein gleitender Übergang zu einer „Aufbruchsphase“ nach der 3. Parteikonferenz der SED 1956, auf der Ulbricht die Anwendung elektronischer Rechentechnik gefordert hatte. Initiativen zu Taten gingen in jener Zeit von Einzelpersonen aus und einzelne Vorhaben zur Rechentechnik/Elektronik  wurden durch die Zentrale gefördert. Die systematische, konzentrierte Entwicklung der Rechentechnik setzte erst 1964 ein, gegründet auf das beschlossene DV-Programm und eine Entwicklungskonzeption zur Elektronik ([30]). Es begann die Kernzone  der Aufbruchsphase. Die EDVA Robotron 300 (2. Computergeneration) ging 1968 in Serienfertigung, bis 1972 wurden davon 346 in der DDR installiert. Der Einstieg in die dritte Computergeneration in Kooperation  mit anderen RGW-Staaten im Rahmen eines „Einheitlichen Systems elektronischer Rechentechnik (ESER)“  wurde 1968 vollzogen, die notwendigen Begleitmaßnahmen in der Wirtschaft und in der Bildung wurden zügig realisiert; Presse, Funk und Fernsehen begleiteten offensiv und konstruktiv die Aktivitäten. Die SED agierte in allen Ebenen. Mit dem Abgang Ulbrichts endete abrupt diese Entwicklung.

 

-   Es folgte eine Phase der bewusst gebremsten Entwicklung und Anwendung der Rechentechnik ab 1971, deutlich sichtbar an der Reduzierung  der an Themen der Rechentechnik im Kombinat Robotron tätigen Personen, an den Investitionen im Kombinat Robotron und am nahezu konstanten Bestand an EDVA ab 1972 (s. u.).

 

1983 setzte eine bis 1990 währende Phase ein, in der von der politischen Führung  der Rechentechnik wieder Bedeutung beigemessen wurde, vom Wirtschaftssekretär des ZK der SED G. Mittag zur einer CAD/CAM-Euphorie gesteigert, 1986 ergänzt um ein „CIM“- Programm. Rechentechnik spielte damit indirekt, aus Sicht ihrer Nutzung vorrangig in der Industrie eine Rolle, jedoch fehlte die finanzielle und personelle Stützung durch den zentral vorgegebenen Plan, sowohl im VEB Kombinat Robotron wie bei den Anwendern. Die unter Staatssekretär K. Nendel gebildete „Staatliche Leitergruppe CAD/CAM“ wie auch die später unter Werkzeugmaschinenbau- Minister Dr. R. Georgi geschaffene „Staatliche Leitergruppe CIM-Vorhaben“ hatten keinen Einfluss auf Ressourcenplanungen, sie waren auf Verwaltung und Verteilung des Vorhandenen beschränkt *).

 

*)  Anmerkung Dr. G. Jungnickel: Die genannten „Staatliche Leitergruppen CAD/CAM“ bestanden in der Regel aus den Spitzen- Managern der Kombinate und beteiligten Strukturen. Sie verfügten daher direkt oder indirekt über weitestgehenden Einfluss auf Pläne, gestalteten Bilanzen und waren Herren über die Verteilung zusätzlicher Valutamittel und Prämienfonds und handelten dabei auf der Basis hochrangiger politischer Beschlüsse der SED-Parteiführung. Diese Beschlüsse und entsprechende Staatsplanauflagen waren zuvor von Führungsgruppen, Beiräten usw. mit oft sehr subjektiver Interessenlage den Partei- und Staatsorganen empfohlen worden und hatten nach Beschluss höchste Priorität im Staatsplan.

Die o.g. "CAD/CAM-Euphorie" hatte speziell bezogen auf das ESER- Programm der DDR, aber auch für viele andere Industrieprojekte  einschneidende Wirkungen. In Ignoranz für Realitäten und wirtschaftliche Effektivität ( Ressourcen, Bauelemente-Basis, Chancen und Valutaerlöse beim Export  usw.) und ohne komplexe Betrachtung erforderlicher nachhaltiger Nachfolgetechnologie (Technologie der nächsten und übernächsten Generationen) und  des tatsächlichen Bedarfs der Wirtschaft wurde eine sog. 32 Bit Architektur [Basis VAX] mit höchster Priorität in die Bilanzen der Betriebe der Rechentechnik und gravierend in der Halbleiterindustrie eingeordnet, speziell die Entwicklung von firmeninternen Prozessor- SK, was allein schon einen beträchtlichen Zeitversatz bedeutete.

Nur wenige Betriebe benötigten derartige Technik wirklich (wie etwa der Schaltkreisentwurf), aber diese hatten ohnehin importierte Anlagen, deren Bedarf lag nicht bei 5-8 Jahre alter Technik! Die erfolgreiche, massiv im Einsatz befindliche ESER- Architektur aber wurde auf niederes Prioritäts-Level degradiert bzw. aus Bilanzgründen für den "Auslauf" vorgesehen.

Wenn nach der Wende Mitglieder der „Staatlichen Leitergruppen..“ sich auf ihren absolut fehlenden Einfluss bei der Gestaltung der Strategie bestimmter Bereiche, speziell von Rechentechnik und Mikroelektronik und deren Planvorgaben berufen, so sei die Frage erlaubt, wer denn diese Beschlüsse inhaltlich vorbereitet hat? Das waren doch wohl weitestgehend die gleichen Personen in anderer Funktion. Sich heute auf eine Art "Zwang zur Umsetzung" von Aufträgen zu berufen, denen sie angeblich negativ gegenüberstanden, ist wohl sehr fragwürdig. 

 

Die Bildung des Kombinates Robotron fällt noch in die  Phase gezielter Förderung der Rechentechnik. Die für das Potenzial des Kombinates entscheidenden Ressourcen wurden im Zeitraum 1964 bis 1971 geschaffen ([1], [2], [3], [4], [41]).

 

 

Bei der  Wertung des Wirtschaftsgeschehens sollte man davon ausgehen, dass die DDR in besonderer Weise durch die Wirkungen des 2. Weltkrieges mit Demontagen und Reparationsleistungen belastet war, auf sozialistische Planwirtschaft umgestellt wurde und über ein Wirtschaftspotential geringer als das des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen verfügte. Mikroelektronik, Computertechnik und Kommunikationstechnik erforderten in besonderer Weise Wirtschaftskraft und, bezogen auf kleinere Länder,  internationale Arbeitsteilung und Kooperation.
Die DDR war von der freien Marktwirtschaft in diesen strategisch wichtigen Sektoren, des herrschenden kalten Krieges wegen, abgeschnitten. Womit nur die RGW-Staaten und hierbei im wesentlichen die  UdSSR als Partner und als Markt zur Verfügung standen, die UdSSR aber ihren eigenen Wirtschaftsweg mit eigenen Schwerpunktsetzungen beschritt und der Handel der zentralen staatlichen Planung unterworfen war ([4]).

 

1.2. Die Bildung des  VEB Kombinat Robotron, seine Wurzeln und  seine Einbindung in die Volkswirtschaft der DDR 

Zur Vorgeschichte:
……..

 

1958 wurden die Vereinigungen volkseigener Betriebe (VVB) geschaffen, die etwa in Form einer Holding die Betriebe, Institute und Wissenschaftlich-technischen Zentren der jeweiligen  Branche vereinten. Für die  Branche Büromaschinen war dies die VVB Büromaschinen (Hauptdirektor W. Lungershausen), Sitz Erfurt.  Die Organisationsform VVB existierte in der DDR von 1958 bis in den Zeitraum 1968...1978, je nach Branche.
1964 wurde das erste Datenverarbeitungsprogramm der DDR beschlossen und wirksam. Die VVB Büromaschinen erhielt den Namen VVB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen (VVB DuB, Generaldirektor W. Lungershausen) und gleichzeitig die Verantwortung für die Entwicklung und Produktion elektronischer Rechentechnik. Der VEB Carl Zeiss Jena, Produzent des ZRA 1, wurde von der Regierung auf den Wissenschaftlichen Gerätebau im engeren Sinne beschränkt. In Vollzug der Beschlüsse zum DDR-Datenverarbeitungsprogramm  wurden der VVB DuB weitere Einrichtungen, neu geschaffen oder aus anderen Bereichen mit Umprofilierungsaufgaben, zugeordnet (siehe Tabelle unten).

 

Zeitraum
 ab 1961

Übergeordnetes zentrales staatliches Organ

Leitungsorganisation

In der Branche

 

Betriebe, Institute, sonstige Einrichtungen

1961-1964

Volkswirtschaftsrat

der DDR (VWR)

VVB
Büromaschinen,

Sitz Erfurt

 

VVB-Hauptdirektor

W. Lungershausen

VEB Elektronische Rechenmaschinen Karl-Marx-Stadt (ELREMA), Wissenschaftlicher Industriebetrieb

VEB  Büromaschinenwerk Sömmerda

VEB  Optima Büromaschinen Erfurt

VEB  Büromaschinen Karl-Marx-Stadt

VEB Secura-Werke Berlin

VEB Schreibmaschinenwerke Dresden

VEB Mess- und Zeichengeräte Liebenwerda

VEB Bürotechnik Berlin

WTZ Büromaschinen Karl-Marx-Stadt

Zugeordnet: Mercedes-Büromaschinenwergke AG Zella-Mehlis i.V.

1964-

31.03.1969

Volkswirtschaftrat der DDR (VWR)

 

Ab 1.01. 1966

Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik (MEE)

VVB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen (VVB DuB)

Sitz Erfurt

 

Generaldirektor:
W. Lungershausen

VEB Elektronische Rechenmaschinen Karl-Marx-Stadtbetrieb (ELREMA)

Institut für Datenverarbeitung Dresden (idv), ab 1964

Institut für Elektronik Dresden (ied), ab 1964

Institut für Maschinelle Rechentechnik Dresden (IMR) ab 1967

VEB RAFENA-Werke Radeberg, ab 1966

VEB Kohleanlagen Leipzig ab 1969

VEB Rechenelektronik Meiningen-Zella-Mehlis  ab 1969,  vormals
Mercedes-Büromaschinenwergke AG Zella-Mehlis i.V.

VEB  Büromaschinenwerk Sömmerda

VEB  Optima Büromaschinen Erfurt

VEB  Büromaschinen Karl-Marx-Stadt

VEB Secura-Werke Berlin

VEB Schreibmaschinenwerke Dresden

VEB Mess- und Zeichengeräte Liebenwerda

VEB Bürotechnik Berlin

WTZ Büromaschinen Karl-Marx-Stadt

Ingenieurbüro Erfurt

 

Tabelle:  Zur VVB Büromaschinen bzw. VVB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen  gehörige  Betriebe und Institute 1958 – 1969

Mit Wirkung vom 1.1.1966 wurde der Volkwirtschaftsrat aufgelöst, es wurden wieder Industrieministerien gebildet; die Minister gehörten der Regierung der DDR an. Die VVB der elektronischen  Industrie, des Geräte-  und des Elektromaschinenbaues wurden zum Industriebereich Elektrotechnik und Elektronik, geleitet vom Minister für Elektrotechnik und Elektronik (1966-1982 O. Steger, 1982-1989 F. Meier), zusammengefasst. Die Ministerien existierten dauerhaft bis zur Auflösung der volkseigenen Wirtschaft 1990. 

Die Bildung des VEB Kombinat Robotron per 01.04.1969

Die Entwicklung und Produktion elektronischer Datenverarbeitungsanlagen unter Regie der VVB DuB im Zeitraum 1965 bis 1969 setzte die Zusammenarbeit zahlreicher Betriebe, zum Teil unterschiedlichen VVB unterstellt, voraus:

 

·  Der VEB Elektronische Rechenmaschinen Karl-Marx-Stadt (ELREMA) war komplexer Thementräger für die Entwicklung der Hardware und der Operationssysteme  Elektronischer Datenverarbeitungsanlagen (EDVA) und trug selbst die Verantwortung für den Systementwurf, die Prozessoren und die Operationssysteme.

· Das Institut für Elektronik Dresden (IED) entwickelte  Hauptspeicher (Kernspeicher) für EDVA, Plattenspeicher und die zugehörigen Steuergeräte. Das IED war zusätzlich für Forschungsleistungen zur Speichertechnik zuständig.

· Das Institut für Datenverarbeitung Dresden (idv) entwickelte Prozessrechner, Rechner zur Kontrolle  und Lenkung in Stückgutprozessen sowie Datenfernverarbeitungseinrichtungen; es entwickelte Programmpakete  für Anwender-Datenverarbeitungsprojekte, begleitete Ersteinsatzfälle von EDVA und realisierte  Pioniereinsatzfälle von Computern zur Steuerung und Kontrolle von Fertigungsprozessen.

· Das Institut für Maschinelle Rechentechnik Dresden (IMR), 1965 gegründet, arbeitete als Institut der Deutschen Akademie der Wissenschaften bis 1967 und wurde dann der VVB DuB als Basis für ausgewählte Forschungsarbeiten zugeordnet. Es bearbeitete 1969  Grundlösungen in den Gebieten  Lernstrukturen, Struktur- und Zeichenerkennung, Künstliche Intelligenz, Holografie und  Syntax von Programmiersprachen.

· Verschiedene Betriebe der VVB Bauelemente und Vakuumtechnik, voran der 1958 gegründete VEB Halbleiterwerk Frankfurt /Oder (HFO) und der VEB Kontaktbauelemente Gornsdorf entwickelten, produzierten und lieferten aktive und passive elektronische Komponenten nach Anforderung der Bedarfsträger.

· Der VEB RAFENA- Werke war 1966 für die Produktion von Zentraleinheiten der Datenverarbeitungsanlagen, von Prozessrechnern und von Datenfernverarbeitungstechnik verantwortlich gemacht worden und komplettierte die elektronischen Rechen- und Datenverarbeitungsanlagen nach einem Testfelddurchlauf  vor der Auslieferung an den Kunden.

· Der VEB Keramische Werke Hermsdorf  (KWH) fertigte Ferritkerne, Kernspeichermatrizen und  Kernspeicherblöcke für Computer.

· Der VEB Carl Zeiss Jena verantwortete die Entwicklung und Produktion von Magnetbandgeräten und von computergesteuerten Zeichengeräten.

· Der VEB ORWO Wolfen war zuständig für die Entwicklung und Produktion von Magnetbändern.

· Der VEB Büromaschinenwerke Sömmerda (BWS) produzierte Lochkartentechnik und entwickelte und produzierte mechanische Serien- und Paralleldrucker.

· Betriebe der VVB Nachrichten- und Messtechnik (VVB NuM) lieferten Fernschreibgeräte und Baugruppen für die Datenübertragung. 

· Dem VEB Bürotechnik (BT), Sitz Berlin, oblagen die Komplettierung der  Computersysteme aus Komponenten beim Kunden, die Tests von Technik und zugehöriger Software sowie die Übergabe an den Vertragspartner. Er realisierte damit Warenproduktion. Zum Leistungsspektrum gehörten weiter die technischen Serviceleistungen zur Büro- und Rechentechnik einschließlich aller Ersatzteillieferungen, die Schulungsleistungen für das Techniker- und Bedienerpersonal der Kunden und die Beratung zu Anwenderprojekten.

· Der VEB Kohleanlagenbau Leipzig und der ehemalige VEB Projektierungs- und Konstruktionsbüro Außenstelle Leipzig fusionierten am 1.01.1969 zum VEB Robotron- Projekt Leipzig und bildeten ab 01.04.1969 im Zentralvertrieb den Bereich des Direktors für Anlagenbau, der ab 1.01.1974 als VEB Robotron- Anlagenbau wieder juristisch eigenverantwortlich wurde. Dieser Betrieb lieferte dem Anwender komplette Rechenzentren einschließlich Bau und Ausrüstungen und fungierte als Generalauftragnehmer für diese Leistungen.

Die Koordinierung aller Leistungen zu Datenverarbeitungsanlagen gründete sich im Zeitraum 1965 bis 1969 auf Kooperationsverträge zwischen den beteiligten Institutionen. Unter den Bedingungen sozialistischer Planwirtschaft  mit den Elementen Plan, Bilanz und Vertrag als Handlungsgrundlage war die operative Arbeit  sehr kompliziert, im Falle der Zusammenarbeit an der Realisierung der Datenverarbeitungsanlage Robotron 300 (1965 bis 1971) gelang dies mittels Unterstützung der zentralen staatlichen Leitung  (Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik, Regierungskommission Maschinelle Datenverarbeitung) und insbesondere auf der Grundlage guten Willens der Beteiligten. 

 

Um die erwarteten Vorteile sozialistischen Wirtschaftens bei der Organisation des Einsatzes von Datenverarbeitungsanlagen zu nutzen, wurde 1967  beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR ein „Staatssekretär für Datenverarbeitung“ (G. Kleiber, Kandidat des Politbüros beim ZK der SED) berufen, der die dem Ministerrat obliegenden Koordinierungsfragen bei der Schaffung  und dem Einsatz von Rechentechnik wahrzunehmen hatte und konkret die EDVA- Einsatzvorbereitungen in allen Bereichen der DDR koordinierte. .. Diese Rolle wurde von Honecker  1972 im Zuge seiner neuen Linie wieder abgeschafft.

 

[Zur internationalen Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten ]

 

Am 13.08.1968 vereinbarten im Auftrage ihrer Organisationen Spezialisten aus der UdSSR, VR Bulgarien, der CSSR, VR Polen und der DDR die technischen Grundsätze für ein Computersystem der 3. Generation (vergleichbar mit  dem System IBM 360) mit der Absicht, dieses arbeitsteilig zu realisieren. Am 20.12.1968 *) schlossen die Regierungen dieser Länder ein Regierungsabkommen zur Schaffung des „Einheitlichen Systems Elektronischer Rechentechnik (ESER, russisch EC ЭВМ), DDR- seitig im Auftrag der Regierung unterzeichnet vom Staatssekretär für Datenverarbeitung G. Kleiber. Vertreten in der MRK RT waren die am Abkommen beteiligten Länder mit ihren „Nationalen Teilen“, deren Leiter in der Regel Ministerrang hatten (DDR aufeinanderfolgend Staatssekretär Kleiber, Minister Steger, Minister Meier) sowie die Leiter der von der MRK RT berufenen Organe.  Der Leiter des UdSSR-Teiles der MRK hatte abweichend von RGW-Regelungen  laut Regierungsabkommen in der MRK ständig den Vorsitz. Als Organe der MRK RT fungierten für die Arbeit notwendige Arbeitsgremien, so das „Koordinierungszentrums“ mit Sitz in Moskau, der  „Rat der Chefkonstrukteure des ESER“ mit einem Generalkonstrukteur aus der UdSSR (aufeinanderfolgend Krutovskich, Larionov, Prshijalkowski) als Leiter, der „Ökonomische Rat“ und andere ([5],[11]).     

*) Anmerkung Dr. Jungnickel: Das Datum des Abschlusses des Mehrseitigen Regierungsabkommens ist der 23.12.1969. - vergleiche dazu den Beitrag "Zur ESER- Startperiode".

Die Planung und Leitung solch komplexer Vorhaben wie die Schaffung von EDV-Systemen mit ihren vielfältigen Hard- und  Softwarekomponenten innerhalb der DDR und  gar über Ländergrenzen hinweg mit Beteiligung einer Vielzahl juristisch selbständiger Institute und Betriebe war ersichtlich schwer beherrschbar und erforderte folglich  eine neue Organisationsform für die Leitung der Wirtschaft. Analoge Probleme traten in anderen Branchen auf, woraus sich für die DDR ein allgemeines Erfordernis ableitete.

Auf Beschluss der SED-Parteiführung und der Regierung wurden daher schrittweise Volkseigene Kombinate gebildet, ausgerüstet mit mehr Kompetenzen als die bestehenden VVB im Verhältnis zu nachgeordneten Betrieben.  Die in der Branche tätigen, ihr zugeordneten Potenziale wurden durch die Kombinatsleitungen neu geordnet und zusammengefasst, teils unter Auflösung der  bis dahin bestehenden Rechtsform als juristisch und ökonomisch selbstverantwortlichen Institution (Betrieb, Institut).

 

Für das Gebiet der elektronischen Rechentechnik wurde mit Wirkung vom 1.04.1969 der VEB Kombinat Robotron aus Einrichtungen der VVB DuB geschaffen, für die Arbeitsrichtungen  Büromaschinen, Datenerfassung  und „mittlere Datentechnik“ der VEB Kombinat Zentronik, Sitz Sömmerda (Generaldirektor M. Vogelsang). Die VVB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen wurde aufgelöst.


Als Name für das Kombinat wurde die von  Gerschler, Peine und Hadlich  für Erzeugnisse der Rechentechnik im Ergebnis eines Wettbewerbes kreierte und seit 1958 vom VEB Elektronische Rechenmaschinen (ELREMA) geschützte und genutzte Produktbezeichnung

  

gewählt. Die  zum Kombinat gehörigen Betriebe erhielten später alle den Vorsatz „Robotron“ zu ihrem Namen. 

 

Aus dem Statut des VEB Kombinat Robotron vom 31.03.1969 [5]:


Der VEB Kombinat Robotron ist verantwortlich für die Organisierung der Großforschung auf dem Gesamtgebiet der Datenverarbeitung  sowie für die Zusammenarbeit mit der UdSSR bei der Schaffung eines einheitlichen Systems elektronischer Rechentechnik. Das Kombinat ist ferner Finalproduzent von Zentraleinheiten, von ausgewählten Geräten der ersten Peripherie  sowie von Erzeugnissen der Prozessrechentechnik und von Erzeugnissen der Nachrichtenübermittlung. Dem VEB Kombinat Robotron obliegen weiterhin der Systemverkauf, die Applikation, der Service, der Einsatz von Systemen der Datenverarbeitung  und der Prozessrechentechnik, einschließlich der Erzeugnisse des einheitlichen Maschinensystems für die Datenerfassung und –aufbereitung  sowie der konventionellen Büromaschinen und der Erzeugnisse der Richtfunktechnik. Weiterhin obliegt ihm die Generalauftragnehmerfunktion für Systeme der elektronischen Datenverarbeitung.“ 

Charakteristisch, wegen der beschränkten Marktgröße und Wirtschaftspotenz  oft objektiv erforderlich, war es für die DDR, die Produktion von Erzeugnissen jeweils in nur einer bestimmten Wirtschaftseinheit zu konzentrieren, wodurch Wettbewerb systembedingt innerhalb des Landes praktisch ausgeschlossen war. Der VEB Kombinat Robotron war mit unwesentlichen Ausnahmen ab 1969 in der DDR alleiniger Produzent  von Computern und Computerbaugruppen. Wettbewerb mit Produzenten in anderen sozialistischen Ländern wurde durch die Wirkungen der Sozialistischen Planwirtschaft stark eingeschränkt, mit Produzenten aus dem Gebiet der freien Marktwirtschaft fand er in der DDR wegen des von den USA initiierten EMBARGO s nicht statt.

 Der Grundaufbau des Kombinates  ([40]) folgte der Auffassung, dass sowohl die Forschung und Entwicklung für komplexe Systeme als auch der Vertrieb durch  stark zentralisierte, leistungsstarke Formationen erbracht werden müssten:

In Anlehnung an in Europa allgemein anzutreffende und von der SED-Führung übernommene Tendenzen in jener Zeit wurde  daher ein Großforschungszentrum (GFZ Robotron) mit dem Sitz in Dresden aus den selbständigen FuE-Zentren der VVB DuB gebildet *) mit einem Aufgabenprofil, welches vergleichsweise in der BRD dem der Großforschungseinrichtung „Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)" ergänzt um Frauenhofereinrichtungen, entsprach, jedoch auch den Bereich betrieblicher Entwicklungsstellen überdeckte.  

Die Vertriebs-, Techniker-, Schulungs- und Anlagenbaueinrichtungen für den Gesamtkomplex der Rechen-, Büro- und Organisationstechnik  wurden in einem  Zentralvertrieb genannten  Komplex territorial verteilter Einrichtungen mit dem Leitungssitz in Dresden zusammengefasst. Die Potenziale des Zentralvertriebs waren basisnah tätig; in Leipzig befand sich mit dem im Zentrum der Stadt neu errichteten Schulungszentrum, dem zentralen Ersatzteillager und dem Anlagenbaubetrieb ein Hauptteil dieser Kräfte, in Berlin und in Dresden war traditionell bedingt  eine weitere Konzentration von Vertriebs- und Servicekräften vorhanden.


Quellenangaben in [ ] im Text siehe unter http://robotron.foerderverein-tsd.de/111/robotron111a.pdf

 

Gemäß Thema gekürzte Fassung ;