Beiträge zur DDR- Geschichte des EinheitsSystem der Elektronischen Rechentechnik (1968-1990)
Rechentechnik der DDR im ESER Der internationale Vertragsrahmen Arbeitsumfeld des ESER in der UdSSR Arbeitsumfeld des ESER in der DDR
Produkte und ROBOTRON-Teams Chancen nach 1990 Beiträge ab 2009  
 
Vorgeschichte der IT der DDR vor 1970
Zur ESER- Startperiode UdSSR/DDR
Systementwurf und Technologie
Wirtschaftlichkeit des ESER
Zwei Architekturlinien
Arbeit mit Prototypunterlagen
Persönlicher  Kommentar_
Schwarze Geschäft
 

 ESER- und die Kooperation mit der UdSSR und 

Erfahrungen für eine aktuelle Kooperation auf dem Markt Russlands

 Rückblick 2020 mit  Focus auf die Kooperation zwischen dem NIZEWT (UdSSR) und Robotron (DDR)

Einleitende Bemerkungen

  • Am 9.Mai 2020 feiern wir den 75. Jahrestag des Sieges und der Befreiung vom Faschismus. Allen Völkern der ehem. Sowjetunion und mit ihnen allen Völkern, die an diesem historischen Eckpfeiler der neueren Geschichte von der Sowjetarmee und den verbündeten Armeen der Anti-Hitler-Allianz vom Hitlerfaschismus befreit wurden, ist dieser Sieg heilig, ein Feiertag der Befreiung für das deutsche Volk. Dieses Datum  ist uns Anlass, eine überarbeitete und ergänzte "Neuauflage" eines Vortrages vorzulegen, der im Rahmen des 3. Symposiums "Informatik in der DDR" an der TU Dresden am 15.-16.5.2008 erfolgte und im Tagungsband "Informatik in der DDR- Grundlagen und Anwendungen" (ISBN 978-3-88579-422-6; S. 386-398) veröffentlicht ist. Bei der Überarbeitung wurden Anmerkungen und LINKs ergänzt.

  • Wir möchten mit diesem  Überblick, einem historischen und technologischen Rückblick zu den ESER- EDVA der DDR und den umfangreichen Arbeiten Informationen  zu den damit verbundenen  Beziehungen UdSSR- DDR zu vermitteln. Viele inneren Aspekte und historischen Zusammenhänge der DDR Geschichte „rund um die Rechentechnik“ sind ohne diese Wechselwirkungen UdSSR- DDR nicht schlüssig darstellbar, was in vielen einschlägigen Publikationen zur DDR-Informatik leider weitgehend ausgeblendet wurde und wird.

  • Die Kooperation bei Betriebssystem- Entwicklungsarbeiten mit der UdSSR wird hier im Focus stehen. Es werden aber auch weitergehende Aspekte genannt , die dann auf weitere Artikel der WEB- Seite verweisen.

  • Das ESER- System war wohl das erfolgreichste internationale Projekt der wissenschaftlich- technischen Zusammenarbeit und wirtschaftlichen Ergebnisse im RGW. Es liegt daher nahe, seine Spezifik und Komplexität detaillierter und in den vielfältigen Zusammenhängen der Beziehungen zur UdSSR und den dort abgelaufenen Prozessen zu betrachten.

  • Die Methodik und Komplexität der Software- Projekte, die dabei länderübergreifend eingesetzt wurden, wären auch heute bei Kooperationsprojekten erfolgreich nutzbar. Es ist sinnvoll darüber nachzudenken, wie solche Formen der konstruktiven Zusammenarbeit mit russischen Einrichtungen bei der dringend erforderlichen Gestaltung guter partnerschaftlicher Beziehungen Deutschlands einen wichtigen Beitrag leisten können!

Zum Wirtschaftsfaktor ESER- EDVA

Zunächst soll hier der enge Zusammenhang der DDR-Arbeiten an der ESER- Mainframe- (EDVA)-Linie und der Arbeiten an den ESER- Betriebssystemen umrissen werden:

  • Die Produktlinie ESER- EDVA war wichtigstes Spezialisierungsobjekt der DDR- Rechnerindustrie im RGW und ein Geschäft mit hohen Gewinnmargen. ROBOTRON entwickelte 5 Mainframe- Modelle in den Architektur-Niveaus ESER- Reihe I bis Reihe III und produzierte 1587 Stck. ESER-EDVA bzw. –Zentraleinheiten, die zum überwiegenden Teil exportiert wurden.

  • Eine Übersicht gibt die Tabelle der Startseite. Mit etwa 10% des Gesamtaufkommens der MRK- Staaten an Mainframes hatte  diese Produktlinie ein enormes wirtschaftliches Gewicht und war für eine moderne Datenverarbeitung dominierend, der Performance- Anteil der DDR- Modelle am Gesamtpark der ca. 15.000 zivil eingesetzten EDVA lag noch deutlich höher.

  • ROBOTRON leistete für die Entwicklung der ESER- Betriebssysteme über 40% der eingesetzten Manpower, insgesamt wurden ca. 6.000 Mannjahre Leistungen erbracht  und ca. 6 Mio. "Lines of code“ (ESER- Programmbefehle) incl. Dokumentation  erarbeitet. Ihre Finanzierung erfolgte als Umlage auf den Geräte- Preis. Die gemeinsamen Entwicklungsarbeiten an den Betriebssystemen mit der UdSSR- Seite wurden paritätisch und daher verrechnungsfrei realisiert.

Abbildung 1: "Etappen der ESER- Betriebssystem- Bereitstellung" zeigt anschaulich die Etappen der DDR-Modell- Entwicklung und deren Ausstattung mit Betriebssystemen. (mehr dazu im Artikel Betriebssysteme)

 

Relationen BS

  • Zwischen der hohen technischen Qualität und absoluten(!) Systemkompatibilität der DDR- Produkte mit den ESER- Operationsprinzipien einerseits und dem Entwicklungsanteil der DDR an den ESER- Betriebssystemen andererseits bestand eine totale wechselseitige Abhängigkeit: ohne Betriebssystementwicklung keine Hardware-Systemkompatibilität und ohne System-Kompatibilität (und höchster Qualität) kein Export -Erfolg. Nur die Einheit der Arbeiten an der Hardware der Zentraleinheiten und den Betriebssystemen sicherte der DDR ihre profitable Position und der UdSSR einen unverzichtbaren Entwicklungs-Partner und Lieferanten eines wichtigen Teiles ihres EDVA- Parks.

     

  • alle DDR-Anwendungen von ESER- EDVA auf OS-ES Niveau (1989 ca. 350 Anlagen) wurden mit DDR- Betriebssystemen betrieben. Alle rund 1300 DDR-Exportanlagen wurden an den Anwender mit einem ESER- Betriebssystem ausgeliefert, das zwischen UdSSR und DDR auf paritätischer Vertragsbasis entwickelt wurde.

Das historische Umfeld der Mainframe- Systeme der DDR und des ESER

 

·   1957 wurde in der DDR zur Konzentration und Koordinierung der IT- Kräfte in Karl-Marx-Stadt der Betrieb „ELREMA“ gegründet.

·   Nach der Kuba-Krise 1962 lebten die Länder des RGW im tiefsten Winter des kalten Krieges und des Handelsembargos. Im RGW ging es um schnellstmögliche Verringerung des Technologie- und Anwendungs- Rückstandes der IT/DV gegenüber den westlichen Staaten.

·   In der UdSSR waren mehrere bedeutende Architektur- Schulen und Entwicklungs- Institute in einem höchst uneffektiven, inkompatiblen Parallelismus verfangen. Das Niveau der Anwendungs- Software war nach Darlegungen höchster Akademie- Kreise besorgniserregend. In der Plankommission, AdW und einigen Ministerien der UdSSR wurde intensiv nach Vereinheitlichung der DV-Architektur und deren Betriebssoftware gesucht, es ging ja um den riesigen Bedarf der Wirtschaft und Verwaltung der UdSSR!

·   Anfang der 60ger änderte sich in der UdSSR auch das Klima in Wissenschaft und Technik und die allgegenwärtigen Traumata der Folgen des Stalinismus vernarbten langsam. Im mittleren Management der IT- Bereiche kam eine neue Generation Spezialisten zum Einsatz, eine kompetente internationale Zusammenarbeit begann.

·   In der DDR wurde nach dem nationalen Erfolgs- System „Robotron 300“ (analog IBM/1400) bereits am Nachfolge-Konzept „Robotron 400“ (analog IBM/360) gearbeitet. Es war klar, dass diese EDVA- Linie nur bei hohen Exportzahlen in die UdSSR rentabel sein konnte.  Wenige sowjetische Kollegen wurden daher gezielt und umfassend zu den DDR- Arbeiten informiert. 

·   1968: Die UdSSR- Regierung entschied über die Nutzung von IBM/360 als ESER-Vorbildsystem als Massenprodukt der elektronischen Datenverarbeitung. Diese UdSSR- Entscheidung erfolgte durch die Kommission für RT der ADW der UdSSR am 27.01.1968 unter AM A.A. Dorodnizyn. Diese Fixierung  eines  „Vorbildes“ (eines  „Prototyp“) bestätigte eine zukunftssichere weltweit verbreitete Architektur, die als quasi- Industriestandard (Amdahl, CDC, Siemens, Fujitsu...) außerdem eine Fülle von Anwendungs- Lösungen  und wichtigen Peripheriegeräten (als Anfangsbedarf) verfügbar machte. Das bewährte sich 20 Jahre, sowie darüberhinaus beim Wechsel auf Original- Technik nach 1990.

·   das Abkommen zur Mehrseitigen Regierungskommission Rechentechnik (MRK)  vom 23.Dezember 1969 sammelte die Kräfte der IT- Branche der europäischen sozialistischen Länder unter einem Dach. Diese Bündelung auf eine Architektur überwand auch im RGW das sich anbahnende Architektur- Chaos. Es entstand ein virtuelles internationales Großunternehmen mit ca. 300 000 Mitarbeitern.

·   Sowohl die Amtszeit Chruschtschows, als auch die Industrie- und Wissenschaftspolitik der DDR unter W. Ulbricht (bis 1971) gaben einen starken Impulse zum Anstieg der IT/DV- Investitionen und erforderlicher Basistechnologien der Mikroelektronik und des Gerätebaus. Dieser Start sicherte den  ESER- Projekten bis Mitte der 80-ger Jahre im volkswirtschaftlichen Rahmen eine insgesamt gute Unterstützung bei der Schaffung neuer Technologieplattformen und der breiten Einführung der EDVA.

Das erforderliche Hardware-Technologieniveau (SSI, MSI –Schaltkreise, MLLP, Maschinentakt mit HS-Zyklus 1,35 µs) war in dieser Phase noch relativ niedrig und daher mit wenig Rückstand auch in der DDR bzw. im RGW realisierbar. Der technologische Abstand zum Prototyp betrug daher zunächst nur wenige Jahre.

·   Bereits die ersten Entwicklungs-Ergebnisse unterstrichen die erfolgreiche praktische Umsetzbarkeit der /360-System-Entscheidungen. Die DDR brachte 1973/74 mit EC 1040 das längere Zeit leistungsfähigste Serien- Modell auf den RGW-Markt. In der UdSSR lief die stabile Serienproduktion mehrerer Modelle ebenfalls an, die hohe Zuverlässigkeit der DDR-Modelle sicherte jedoch eine gewaltige Nachfrage. Das ESER erlebte in im Verlaufe eines Jahrzehnt- später mit dem /370-Level vergleichsweise eine Blütezeit.   

·   Ab ca. 1984/85 verstärkten sich die Entwicklungs-Schwierigkeiten in der UdSSR und DDR massiv! Die  Auswirkungen verfehlter Wirtschafts- und Sozialpolitik (DDR ) und die enormen Belastungen aus dem Wettrüsten (UdSSR) führten dazu, dass  die Volkswirtschaften nicht mehr in der Lage waren, die enorm wachsenden Kosten und Kapazitäten für moderne Technologie- und Investitionsbereiche aller Zweige der Wirtschaft zum Erhalt eines im Weltmaßstab vergleichbaren Tempos zu finanzieren und vielfältige anspruchsvolle Zulieferungen zu sichern. Trotz gewaltiger DDR-Investitionen in die Mikroelektronik- Industrie und ihr Umfeld stieg der technologische Rückstand zum Niveau der führenden Firmen mit großem Tempo und   wirtschaftlich aussichtslos an. Eine zusätzliche hohe Belastung entstand infolge der Zersplitterung in mehrere Architekturlinien .

·  Das wirtschaftliche Gewicht der ESER- EDVA in den Beziehungen UdSSR-DDR blieb auf hohem Niveau erhalten, trotz der in der zweiten Hälfte der 80ger Jahre zunehmenden politischen Differenzen zwischen den Reform- Plänen der UdSSR (unter Gorbatschow)  und einem gewissen Opportunismus  der DDR-Führung und trotz der bekannten DDR-Konkurenzsituation seitens der  „32-Bit-Architektur“. Unsere hohe Qualität, unsere marktkonforme und nachhaltige „ESER- Systempolitik“ und das massive Beharrungsvermögen der Massenanwendungen der  ESER- EDVA in der UdSSR (ca. 10.000 EDVA im Einsatz)  trugen bis 1990/1991 Früchte.

Unter den umrissenen Rahmenbedingungen realisierten viele leistungsfähige Teams in Forschung , Entwicklung und Produktion Außerordentliches! Wichtigstes  Ergebnis aus 20- Jahren erfolgreicher Arbeit waren in der DDR zum ESER-Ende 1990 letztlich

·   eine Vielzahl von TOP- Fachleuten im Mainframe- und PC- Bereich und

·   ein hervorragend vorbereiteter EDVA -Markt!

 Historischer und technologischer Rückblick auf das  Entwicklungsprojekt der ESER-Software

Zur ESER- Architektur und dem Betriebssystemkonzept

Vorbetrachtungen:

  • Den Beginn der elektronischen Digitaltechnik stellt sicher die Geschichte des "ENIAC" mit seiner "von Neumann - Architektur" und dem Start 1944 in Princeton dar- es entstanden damals mit riesigem intellektuellem und materiellen Aufwand erste Anlagen-strategische Ressourcen für die Entwicklung der Atombombe. Auch in der UdSSR begannen massiv Arbeiten an "Elektronischen Rechenmaschinen", wobei verschiedene Hochleistungsarchitekturen in Einzelstückzahlen hohe Leistungsparameter erreichten. Weltweit folgten sehr umfangreiche Arbeiten, deren strategisches "Gewicht" ein Entwicklungsmotor wurde und ständig zunahm.

  • Der ständig wachsende Einsatz von Rechnern konzentrierte sich bis ca. Mitte der 70-er Jahre auf die kommerzielle Datenverarbeitung für große Institutionen und Unternehmen, wo große Datenmengen durch "Mainframes" im sog. Stapelbetrieb  mit hoher Effizienz bearbeitet und gespeichert wurden. Mit sinkenden Kosten der Anlagen wurden immer neue Anwendungen wirtschaftlich sinnvoll. Mit der Verfügbarkeit immer schnellerer und günstigerer Komponenten, sowohl bei Logik als auch bei internen und externen  Speichern kamen Rechner im Echtzeitbetrieb in der Breite der Volkswirtschaft zum Einsatz.

  • Mit der Verfügbarkeit von Mikroprozessoren begann die "große Stunde" der Personalcomputer und Terminals. Während in der Anfangszeit der Rechnerentwicklung die Taktfrequenz und Kosten jedes Bytes in der System-Architektur und Konstruktion im Focus der Ingenieure und Mathematiker standen, sind heute durch Verfügbarkeit extrem leistungsfähiger, hochintegrierten 32- und 64 Bit Mikroprozessorfamilien Fragen der Systemarchitektur für den Nutzer in den Hintergrund getreten. Für die führenden  Prozessorspezialisten, wie INTEL, sind moderne und hochkomplexe Architekturkonzepte weiterhin eine Herausforderung , eine Weiterentwicklung früherer Konzepte.  Rechnernetze mit Giga- und Terrabyte- Transferraten bestimmen heute die weitere Entwicklung der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts. Aber auch heute stehen an der Spitze der Anwendungspyramiden, in Cloudes und Forschungszentren Rechnersysteme mit Höchstleistungsparametern. Ein   historischer und technologischer Rückblick auf das  Entwicklungsprojekt der ESER-Software der 70er -und 80er Jahre soll ein Stück dieser Geschichte zeigen.

  • CISC- Rechner (Complex Instruction Set Computer) waren bis weit in die 80ger Jahre wegen der technischen Realisierungsbedingungen [verfügbare Logikschaltkreise mit geringem Integrationsgrad, fehlende kostengünstige Hauptspeicher u.a. ]  international typisch , in der UdSSR und DDR zudem  mit einer gewissen "Verspätung". Die Rechner- Befehlsstruktur musste wegen extremer Bit- Kosten der Arbeitsspeicher daher speicheroptimal und leistungsoptimiert sein. Wegen der noch vergleichsweise geringen möglichen Taktfrequenz und Integrationsgrade waren starke technische Modularität mit Parallelabläufen und komplexe Maschinenbefehle für die Großrechner zwingend, sie benötigten daher hohen Logik- und Technikaufwand. Der Schritt zu hohen Integrationsgraden der Logikelemente, einer großen Verarbeitungsbreite und hoher Taktfrequenz bei geringem Bauvolumen war noch in weiter Ferne.

  • Die IBM/360 - Architektur war sowohl im Ankündigungsjahr 1964 als auch zum Start- Zeitpunkt der ESER- Arbeiten 1968 international eine höchst innovative und weitreichende  Universal-Konzeption,  eine „360 Grad“- Konzeption. IBM verkaufte weltweit Tausende seiner /360- Mainframes.  Dieses Konzept war für die Belange der geplanten „REIHE“ des ESER ein ideales System-Design. Die  Entscheidungs- Prozesse dazu in der UdSSR waren jedoch höchst  kompliziert und können detailliert in weiterführenden Artikeln nachgelesen werden. Hier soll besonders auf den wesentlichen Einfluss verwiesen werden, den die DDR-IT- Spezialisten von ELREMA Karl-Marx- Stadt mit dem Konzept R400  leisteten. Ohne diese fortgeschrittenen Vorarbeiten ist es fraglich, ob eine effektive Kooperation mit der UdSSR im  ESER zustande gekommen wäre, ob das ESER mit seiner Dominanz im RGW überhaupt entstanden wäre.

Die Wahl dieses Architektur- Konzeptes sicherte für die DDR- Rechnerindustrie und breite Anwendung  letztlich bis 1990 auch eine enge Parallelität mit den Haupttrends der internationalen IT- Technik.

 

Die IBM Universal-Konzeption /360 zeichnete sich durch folgende Haupt-Aspekte aus [und wurde nachfolgend durch die Architektur- Systeme /370 und /390 weitergeführt ] :

  • Orientierung auf Geschäftsdatenverarbeitung, Vorbereitung auf Dialog- Datenverarbeitung und Fernverarbeitung.

  • Implementierung umfangreicher neuer Möglichkeiten der Systemorganisation, wie max. unabhängige E/A – und Peripherie-Subsysteme,

  • leistungsfähige Speicherverwaltung unterschiedlichster Speichermedien in mehreren Hierarchie- Ebenen; „Großer“ Adressraum , anfangs begrenzt auf 24 Bit (16 M Byte),

  • universelle Logikstruktur für verschiedene Programmarten, Betriebsmodi bzw. Steuer-programm- Konfigurationen durch ein leistungsfähiges Interrupt System, Speicherschutz- Mechanismen, geschützte Supervisor- Programm- Verwaltung u.a.,

  • 6 Befehlsklassen mit einem sehr breiten Spektrum von leistungsfähigen und flexiblen Befehls- und Datenformaten , Einsatz von 32 Bit- Universalregistern mit 24 Bit Adressfeld,

  • erstmalige Einführung des 8-Bit Byte und der 32-Bit Word- Struktur (incl. 32- oder 64-Bit Gleitkommaworte) mit hexadezimaler Basis.

Diese echte Auf- und Abwärtskompatibilität der Maschinensprache auf Bit- Niveau, hinweg über eine Familie von 6 Modellen und einer Performance- Spanne Faktor 50 (!) war eine spektakuläre Chance. Allein das machte das /360- zum idealen ESER-Prototyp (Vorbild). Seine Entwicklung zum weltweiten Industriestandard gab  den ESER- Teilnehmerländern in der EDV-Politik Sicherheit und Kontinuität und sorgte für einen weitgehend einheitlichen Mainframe-Markt incl. Peripherie.

Der Grundsatz der gesamten ESER- Arbeiten -einer „Prototyp“- nahen Systementwicklung war trotz vielfältiger Original- Informationen eine komplexe technologische und organisatorische Herausforderung, die  Implementierung des Systemkonzeptes und der Operations-Prinzipien der IBM/360 bzw. /370 Architektur durch einem eigenen Logikentwurf und deren technischer Realisierung mit RGW- Schaltkreisen/Material gemäß dem UdSSR- Standard GOST 25122-82 „Basiskonstruktionen der technischer Mittel des ESER (TM ESER)“ standen im Fokus der Arbeiten.

Zu einigen Aspekten der Architektur der Betriebssysteme

·   Wesentliche Schlüsseltechniken heutiger Betriebssysteme wurden durch die  IBM / ESER- Betriebssystemkonzepte erstmalig realisiert.

·   Die Komplexität der IBM/ESER-  Betriebssysteme bildet sich in einem Schichtenmodell ab. Eine bestimmte Schicht ist jeweils zuständig für die Verwaltung einer Betriebsmittel-Klasse, sie benutzt andere Schichten (Aufrufe) und ordnet sich in eine funktionale Hierarchie ein , ( 0-Hardware, 1-Prozessverwaltung,2-Speicherverwaltung,3-Dateiverwaltung,4-E/A Verwaltung, 5-User-Interfaces,6-Befehlsinterpreter ) und bearbeitet die Anweisungen der User-Programme , Middleware, DFV/Netz- Verwaltung.

·   Die universellen Eigenschaften der Logikstruktur - ausgebautes Interrupt System, leistungsfähige hardware- basierte Schutzmechanismen und Sicherheits-Features, indizierte Adressierung mit virtueller Adressverwaltung zwischen logischer und physischer Adresse-  ermöglichten über ca. 20 Jahre die permanente Erweiterung der Betriebsmodi und Programmfunktionalität, Nutzung moderner Speicher, Entwicklung von Fernverarbeitungs- und Dialogsystemen, Mehrprozessorkomplexen  u.a..

·   Es war wichtig, sowohl die Stapelverarbeitung von Programmen, als auch den Betrieb vieler Nutzer durch „Teilnehmerbetrieb“ und Time sharing der Ressourcen effektiv zu gestalten. Umfangreiche Fernverarbeitungssysteme, wie etwa Bildschirmsysteme (EC 7920) mit lokalen und fernaufgestellten Steuereinheiten und vielen (unintelligenten) Terminals und auch alle „Stapel- Tasks“ nutzten gemeinsam alle Ressourcen der zentralen EDVA.

·   Die Zuverlässigkeit der Datenverarbeitung (Sicherung der Verfügbarkeit  und Schutz vor Datenverlust) und die Informationssicherheit (Schutz vor unbefugtem Zugriff oder Angriffen) spielten eine außerordentliche Rolle. Die IBM/ ESER- Architektur und Software war diesbezüglich gängigen Kleinrechnersystemen stark überlegen.

  Hauptinhalte der Zusammenarbeit UdSSR-DDR bei ESER-Betriebssystemen

DDR- Softwarespezialisten hatten bereits im Vorfeld der Gründung der MRK gegenüber UdSSR- Fachleuten die Eigenschaften der /360- Architektur überzeugend darstellen können. Ab Gründung der MRK (12/1969) erfolgten alle ESER- Betriebssystem- Arbeiten in der DDR in enger Zusammenarbeit mit der UdSSR, ab ca.1973 dann arbeitsteilig auf kommerzieller Basis mittels paritätischer Lizenzverträge. Ein einheitliches Betriebssystem war die Voraussetzung der geplanten DDR-Exporte in die UdSSR und für die UdSSR ergab sich die dringende Lösung ihres Manpower- Problems.

Den Arbeitsinhalt der einzelnen Entwicklungsabschnitte der Betriebssysteme bestimmten:

Unter Federführung zweiseitiger Spezialistengruppen UdSSR/ DDR wurden Konzeptionen (Systemkonzepte) für einzelne Entwicklungsetappen der Betriebssysteme des ESER- Systems (ESER I, ESER II, ESER III) erarbeitet, deren Inhalte wurden durch den zuständigen mehrseitigen Spezialistenrat №1 bzw. dessen ständige Arbeitsgruppe OC- EC „Operationssysteme“ (später “Sektion“) des RCK ESER beschlossen und in den internationalen „Entwicklungsplan“ (ESER- Chiffre) aufgenommen. Entwickler der Operationssysteme waren die UdSSR /DDR.

·         die relevanten ESER- Operationsprinzipien ( Reihe I bis Reihe III ) ,

·         die aktuellen Software- Produkte des Vorbildes, bezogen auf analoges Funktions- und Technikniveau

·         die nationalen Interessen der UdSSR und DDR, abgeleitet von den  technischen Parametern ihrer Hauptmodelle und den Forderungen der Haupt-Anwender.

Die nachfolgende Tabelle Grobübersicht ESER-EDVA der DDR“ (Tabelle) zeigt aus DDR- Sicht die Komplexität der langjährigen Entwicklung der ESER- Operationsprinzipien und der Dynamik der Betriebssystem- Entwicklung. Relevant dafür war neben den Operationsprinzipien der aktuellen „REIHE“ die Entwicklung der Hauptspeicherkapazität, speziell der DDR- und UdSSR- Modelle, sowie der Plattenspeicher- Technologie und DFV- Komplexe.

Mit den technologischen Entwicklungen ergaben sich Möglichkeiten und Erfordernisse, immer leistungsfähigere Steuerprogramm-Konfigurationen zu unterstützen und umfangreiche weitere Softwarekomponenten (Datenfernverarbeitung, Teilnehmerbetrieb, Sprachen und Compiler, Dienst- und Serviceprogramme u.a. ) bereitzustellen.

Tabelle
Modell Befehlszahl HS-Ausbau Haupt-Betriebssysteme
EC 1040 /1974-1980 143 Befehle (ESER I) 1 MByte
(256KByte pro Schrank)

DOS EC ; OC- EC/MFT, OC- EC/MVT

 

EC 1055 / 1979-1984

173 Befehle (ESER II) +          2 Emulationsbefehle+            37 MaMo-Befehle 2 MByte  (1MByte/ Schrank) OC-6.1. (SVS) /EC
EC 1055M/1983-1986 182 Befehle (ESER II-erweitert)(37 MaMo- Befehle) 4 MByte (max.2 Schränke ) OC-6.1.(SVS) /EC
SVM /EC
EC 1056/1985-1989 182 Befehle (ESER II-erweitert) + interne SVM Mikroprogramm- Makros 4 MByte (max. 1 Schrank)

OC- 7.1./EC mit SVS 7.1./EC,SVM 3.0./EC ; BPS 7.1./EC

EC 1057 /1989-1990
Auch als Doppelprozessor-Modell
203 Befehle (ESER III); 16 MByte (mit Coprozessor/  in 2 Schränken)

OC -7.2. EC mit SVS- 7.2./ EC, SVM- 3.5 /EC, BPS 7.2./EC; MVS.2(SP)/EC (ab 1989)

  Details: http://www.eser-ddr.de/BetriebssystemeEDVAdesESER_2.htm

Einige Kommentare :

  • Die Anzahl der Grund- Befehle in den jeweiligen Architektur- Niveaus war  gemäß der Kompatibilitäts- Regeln einheitlich für alle ESER- Modelle.

  • Eine Spezifik verschiedener DDR- Modelle waren Befehlsergänzungen für die Einbindung des DDR-Matrixmoduls EC1055.C003, einem  Spezialrechenwerk mit  internem Interface zum Hauptprozessor. Seine Parallel- Struktur ermöglichte Matrix- Operationen mit bis zu 50-facher Geschwindigkeit gegenüber der Prozessorleistung. Er war für viele mathematische Modelle - Anwendungen der Hydrodynamik, der geologischen Erkundung u.a. eine extrem wertvolle Ergänzung und wurde in beachtlichen Stückzahlen in die UdSSR exportiert. Seine Entstehung ist auch auf dem Hintergrund des permanenten Performance-Defizits bei wichtigen Anwendern zu sehen.

  • Die Hardware- Unterstützung des wichtigen Betriebssystems "SVM" (System Virtuelle Maschine) ab Modell EC 1056 ist Ausdruck für die angestrengten Bemühungen, im ESER höhere Anwendungs- Performance zu erreichen und sich auch von anderen Rechnersystemen mit geringeren Sicherheitseigenschaften abzusetzen, obwohl besonders der Prozessor-Kern der Maschinen wegen der Stagnation der Verfügbarkeit schneller hochintegrierter Logikschaltkreise kaum schneller realisierbar war. Der Gesamtkomplex von Erfolg und Hinternissen ist diesem Artikel der ESER- Seite näher umrissen.  

  • Die Spalte HS- Ausbau zeigt die Effekte, die beim Einsatz von CMOS - Speichern erreichbar waren. Neben dem Einsatz höherintegrierter TTL-S Logik wurde ein weiterer deutlicher Fortschritt beim Volumen der EDVA, deren Fertigungsaufwand und Energieeffizienz  mit dem Einsatz von Schaltnetzteilen erreicht ,  deren Nutzung eng mit dem Einsatz von CMOS- Speichern korrespondierte. CMOS- Speicher und Schaltnetzteile waren die wichtigsten Aspekte der bedeutenden Verbesserung des Leistungs-/Kostenverhältnisses. 

Funktional war diese Entwicklung deutlich am Beispiel der Zahl der im Multiprogrammbetrieb verwalteten Tasks (MFT oder MVT) durch Nutzung der virtuellen Adressverwaltung und der Aufgabensteuerung ( Job/Task- Control), sowie später an der Zahl der durch eine Steuerprogrammkonfiguration verwalteten virtuellen Adressräume, d.h. SVS (Single Virtual Storage) oder im ESER später die aufwendige MVS – (Multiple Virtual Storage)- Verwaltung mehrerer virtueller Adressräume.

Eine besondere Bedeutung erlangte in den 80ger Jahren auch das Konzept der virtuellen Maschine (SVM). Die Spezifik des SVM bestand in der Weiterentwicklung der Virtualisierung einzelner Mittel des Rechners (Hauptspeicher, Peripheriegeräte...) hin zur Virtualisierung einer ganzen EDVA. SVM gestattete die Einrichtung und Verwaltung von mehreren virtuellen Maschinen und die parallele und völlig unabhängige Arbeit mehrerer Nutzer auf einer Anlage. Der autorisierte Nutzer konnte  dafür jeweils ein ESER-Betriebssystem oder ein system-unabhängiges Dienstprogramm nutzen. Insbesondere im Entwicklungsbetrieb durch mehrere Test- und Diagnosesysteme oder bei der Arbeit mit stark vertraulichen Inhalten verschiedener Nutzer ergab sich eine hohe Informations-Sicherheit. Ab dem OC 7.1./EC wurden in der UdSSR- DDR- Kooperation mehrere SVM- bezogene Teilsysteme bearbeitet, die Systeme BPS 7.1./EC.und SVM 3. /EC im SVS 7.1./EC. Obwohl SVS und BPS vorrangig für den Stapelbetrieb konzipiert waren, arbeitete das sowjetische „Basisbetriebssystem“ BPS ausschließlich unter einer virtuellen Maschine.

Beginnend mit OC 7 /EC (1983) wurden  bestimmte Spezifika  der Produktpolitik zwischen der UdSSR- Linie des OC 7 und in den DDR-Kunden-Versionen deutlich,  Die UdSSR- Partner erarbeiteten eine Originalstruktur des OC 7.1. /EC ohne ausländisches Vorbild , die sich im Nachgang als System mit erhöhten Datenschutz- Sicherheitsanforderungen darstellte. Auf der UdSSR- Seite begann eine teilweise Abwendung von IBM- Vorbild- Lösungen, was sich durch den Einsatz in höchsten Staats- und Sicherheitsstrukturen erklärt. Auch DDR- EDVA wurden mit diesen Systemen eingesetzt.

 

Die in der DDR zur Auslieferung gekommenen Systeme OC 7.1/ EC und nachfolgend OC 7.2./ EC unterschieden sich dabei. sind in den entsprechenden Artikeln der DDR-Entwickler genau beschrieben. Spezifische Eigenschaften, die das SVM bietet (hochgradige Nutzertrennung, Informationsschutz u.a. für wichtige Großanwender in der UdSSR) waren dominant dafür, dass das OC 7.2./EC spezifisch strukturiert wurde. Bei der breiten Masse der DDR- Anwender blieben die IBM- nahen Konzepten weiterhin favorisiert und Robotron machte Kundenberatung für OC 7.2./EC mit SVM.

Die zunehmende SVM-Dominanz in der Systempolitik des NIZEWT und im Hauptexportland UdSSR war auch der Hauptgrund der Ausstattung der EC 1056 mit einem leistungsfähigen mikroprogrammresidenten Satz von SVM- Makros, die die SVM- Performance bis zu 50% erhöhen konnten. Mit dieser kundenspezifischen Erweiterung erreichten wir eine zusätzliche hohe Nachfrage für unsere EDVA in der UdSSR!

Die nachfolgende Tabelle zeigt das Ergebnis von 20 Jahren :

ESBS TAB Koerenr

Aufgabenstellung und Technologie der ESER- Kooperation und des Projektmanagement

Die ESER- Arbeiten in der DDR nach Gründung der MRK (12/1968) erfolgten, wie bereits ausgeführt, arbeitsteilig mit der UdSSR auf Basis von  Speziailsierungsvereinbarungen, bei Betriebssystemen auf kommerzieller Basis mit Lizenzverträgen. Das jährliche vertragliche Volumen betrug im Höhepunkt der Arbeiten ca. 600 Mannjahre, jede Seite erbrachte 50% der Leistung  und übergab diese dem Partner als Lizenz. Die Finanzierung war ein 0- Summen- Clearing, beide Seiten wurden Eigentümer des Gesamtsystems und komplettierten damit die EDVA im Inland.  

Die Methodik der inhaltlichen Definition der Entwicklungsabschnitte basierte auf einer ausführlichen Analyse entsprechender Unterlagen zur Strategie der IBM und anderer IBM- Publikationen. Da die ESER- Entwicklung mit ca. 4 Jahren Versatz zum Vorbildsystem startete und im Verlaufe der Arbeiten etwa 8 Jahre Abstand hinnehmen musste, bestand die Erarbeitung der Aufgabenstellung für die nächste Etappe des ESER- Betriebssystems vorrangig in der sorgfältigen Analyse der Produktpolitik und  von Publikationen der Prototyp- Firma. Es wurden auch deren Original- Produkte analysiert bzw. ausgewertet, denn sowohl die UdSSR, als auch die DDR konnten für bestimmte Unternehmen (z.B. für die Zentralverwaltung für Statistik oder das Kombinat Datenverarbeitung) auch gemäß Exportbestimmungen der USA- Regierung  Original- EDVA  importieren. Auch aktuelle Maschinenzeit für Testarbeiten für ESER- Betriebssysteme stand so zur Verfügung.

Ziel der Arbeiten war die Entwicklung vertriebsfähiger ESER- Betriebssysteme gemäß dem  international gültigen Stand des Software- Urheberrechtsschutzes. Die Prototyp- nahe Systementwicklung erforderte keine umfangreichen eigenen konzeptionellen und systemtechnischen Vorlaufarbeiten in der mehrseitigen oder zweiseitigen Kooperation, wohl aber gute Systemkenntnisse und umfangreiche handwerkliche Arbeit. Schließlich mussten die Anwender sich darauf verlassen können, dass sie kurzfristig zu jeglichen Funktionsabweichungen eine Lösung erhielten (Batches, Umgehungslösungen,..) sowie längerfristig das Problem grundsätzlich behoben wurde (neue Ausgaben, Versionen) .  

Am Start der Kooperation wurden die Prinzipien der Entwicklungstechnologie definiert und später laufend ergänzt. Folgende Haupt-Elemente waren relevant:

·   Definition und Erstellung eines Ausgangssystems [Vorbildmaterial waren kompilierte Programmsysteme], welches zwischen den Entwicklungspartnern abgestimmt wurde und die gemeinsame  Entwicklungsbasis bildete.

·   Erarbeitung und Analysen des Quellcodes des Ausgangssystems. Zur Gewinnung des Quellcode der Ausgangssysteme war jeweils eine programmunterstützte Re-Assemblierung erforderlich, die durch dialogorientierte Bearbeitung erfolgte. Das war eine Schlüsseltechnologie, ohne deren Existenz am Start der Zusammenarbeit das ESER wahrscheinlich so nicht bestehen würde ( siehe auch )

·   Definition aller Moduln und ihrer Schnittstellen (Makronamen, Aufrufe, andere Software- Schlüssel-Elemente)

·   Grundsätze der Anpassung der Moduln an die ESER- Forderungen: Analyse und Änderung von Befehlsfolgen nach fixierten Kriterien, Anpassung der Programmlogik bei Erhalt der Makros, Calls usw., ESER- Kommentare, Anpassung an das E/A- Gerätespektrum, Erarbeitung von Dokumentation u.a.. Makros, Aufrufe und andere Schnittstellen behielten Original-Namen;

·   Methodik der Zusammenstellung von Zwischenständen und Integrationstests

·   Methodik der Fehlerbehandlung und des Entwicklungsabschlusses des Vertragsteil. Das ESER- Betriebssystem musste zum Original kompatibel sein und wurde daher zunächst auf Prototyp- EDVA getestet , Funktionsabweichungen wurden korrigiert. Derartige Abweichungen der  Systeme auf einer ESER- EDVA zeigten dann wahrscheinlich auf Logikfehler der Zentraleinheit oder auf Programmierfehler bei der Bearbeitung.

·   Fehlerdienst und Nachbetreuung

Die Entwicklung eines vertriebsfähigen ESER- Produktes implizierte die Sicherheit für den Lieferanten, dem Anwender eine (vertretbare) Zusicherung geben zu können, dass durch „Fremdcode“ oder die Existenz von Original-Kennzeichnungen ( etwa  Vorstufen heutiger Trojaner oder Systemnummern ) kein Informationsabfluss möglicht wird oder andere Sicherheitsaspekte berührt werden.

Für eine derartig komplexe Entwicklungsarbeit war eine sehr konstruktive, auf gegenseitigem Verständnis und Akzeptanz basierende Arbeit sowohl der leitenden Entwickler, aber auch aller Beteiligten erforderlich, die sich regelmäßig zu Arbeitstreffen zusammenfanden. UdSSR- und DDR- Beauftragte und die Softwareteams beider Seiten erarbeiteten zur Vorbereitung des nachfolgenden Vertragsabschnittes detaillierte Aufgabenstellungen mit Funktions-Beschreibung einzelner Moduln, Terminen, Schnittstellen und Zwischenetappen. In späteren Jahren wurden so auch vom Prototyp abweichende  Systemkonzeptionen (z.B. BPS der UdSSR) erarbeitet und vertraglich vereinbart.

 

Zu Beginn einer neuen Entwicklungsetappe erfolgte die genaue Auswahl eines Prototyp- Produktes, dessen Einzelkomponenten , wobei  einzelne Funktionsbereiche  ggfls. zeitlich verschoben wurden, sowie die Definition des Rahmenzeitplanes der Entwicklung der Teilsysteme, sowie der Arbeitsteilung. Es wurde sowohl arbeitsteilig nach Funktionsmoduln gearbeitet, aber später auch Versions- bezogen. Daher bestand keine durchgängige Spezialisierung der Seiten auf bestimmte typische Moduln, jedoch mehr Flexibilität in der operativen Arbeit.

  Zum Projektmanagement und Arbeitsklima

Die Entwicklungsarbeiten wurden, gemäß heutiger Terminologie, durch ein paritätisch besetztes Projektboard („Entwicklungsleiter“) mit 3-4 Meetings im Jahr geführt. Für einzelne Themengebiete bestanden Teilprojekte mit Teilprojektleitungen, deren Verantwortliche i.d.R. jeweils die Leiter ganzer Bereiche, Abteilungen oder Gruppen waren. Diese verantworteten die Entwicklungsarbeiten ihrer Seite und berichteten im Vertragsrahmen an das Projektboard. Vertrags- Abschlüsse oder Grundsatzfragen zum Vertrag wurden auf Ebene der Direktoren der Betriebe (NIZEWT/ Robotron-E2) geregelt. Differenzen auf Ebene der Direktoren bestanden sehr selten.

Während der jahrelangen fruchtbaren Kooperation entstanden viele persönliche Kontakte. Kameradschaftliches Miteinander und gegenseitige Unterstützung waren die Regel. Es gab nicht wenige persönliche Freundschaften zwischen den Mitarbeitern. Trotz bestimmter Regelungen der Sicherheitsdoktrin der UdSSR entstanden zu keiner Zeit Spannungen, „persönlich“ und „dienstlich“ waren zwei paar Stiefel. Die übergroße Mehrzahl der DDR- Mitarbeiter war froh und motiviert, in einem derartigen Team zu arbeiten.

 

Ein Detail : Übergaben der Zwischenstände/ Endergebnisse erfolgten anfangs auf ½ Zoll Magnetband–Cartridge, später auch auf 14“ Plattenstapeln. Das war der einzig praktikable Weg der Synchronisierung für die umfangreichen Softwarekomponenten und Systeme. Anfangs wurden aus Vertragsgründen zusätzlich noch Papierausdrucke übergeben. Der technische Aufwand derartiger Übergaben, aber auch die Einschränkungen der Kommunikation sind heute, in Zeiten der Giga-Bit Netze- nicht mehr vorstellbar. Anfang der 80-er Jahre wurden erstmals im UdSSR- DDR- Datenverkehr 1,2 Kbit/s Wahlleitungen/Modems eingesetzt, eine spürbare Erleichterung vor allem der operativen Kommunikation trat ein, trotz teilweise astronomischer Übertragungszeiten.

 

  ESER- und IBM  Produkt-Äquivalente der Hauptbetriebssysteme

Dieser Aspekt der Kooperation kann im Rahmen dieses Artikels am besten durch die Graphik „Grobübersicht ESER-OS und Prototyp- Bezüge“ umrissen werden. Details im Bereich SVM siehe auch .

Zur Frage, in welcher Weise seitens der ESER- Software-Entwickler „nach“- gedacht wurde, sind oben bereits Ausführungen erfolgt. Ergänzend dazu:

In einem heute typischen Software- Projekt- Ablauf sind i.d.R. die folgenden Stufen zu durchlaufen
  • Grobanalyse

  • Aufgabenstellung

  • Systemkonzept/ Grobentwurf

  • Feinentwurf

  • Entwicklung des Programm- Codes (Quellcode)

  • Test /Modulintegration

  • Entwicklungsabschluß , Überleitung an Vertrieb

  • Nachbetreuung , Fehler- Services

Gemäß der fixierten ESER-Entwicklungstechnologie wurden alle Programmier- und Dokumentationsarbeiten etwa ab der Stufe „Feinentwurf“ in hohem Maße eigenständig erbracht, mit definiertem eigenem Code-Anteil, eigenen ESER- EDVA und eigener technologischer Software. Abweichungen von dieser Entwicklungs- Technologie erfolgten ab ca. 1987 bei den MVS- Arbeiten mit / 370  Architektur.

Zwischen den Stufen des Feinentwurfes und der Programm-Entwicklung einerseits, sowie zwischen Test und Entwicklung konnten  jeweils Erkenntnisse zu Funktionsabweichungen , Fehlern u.a.entstehen, die dann zu Iterationen führten. Die Konzentration dieser Arbeiten in einem lokalen Teamkomplex einerseits, aber auch die Möglichkeit schneller länderübergreifender Kommunikation mit dem Entwicklungspartner war sowohl durch eine hohe Qualifikation der Bearbeiter, als auch  durch die Struktur der Teams sehr effektiv.

 

Das erfolgreiche Projektmanagement nutzte Managementsysteme (Projektplanung u.a.), die heute üblichen Verfahren sehr ähnlich waren. Infolge der heute primitiv zu nennenden Kommunikations- und technischen Bedingungen (z.B. wenige Telefonate, „Textverarbeitung“ mit EDVA u.a.) des Zusammenwirkens über Grenzen war die Leitung (Entwicklungsleiter waren Leonid Raikow und  Walter Münch) eine anspruchsvolle Leistung. Der Abstimmungs- und Integrationsaufwand zwischen den Entwicklungspartnern war nur durch strikte Disziplin, Einhaltung der technologischen Vorgaben und hohe Kompetenz beherrschbar und es wurden sehr kurze Entscheidungswege praktiziert.

Besonders die Arbeiten von vielen Teammitgliedern ab dem „Feinentwurf“ erforderten hohen Aufwand zur Einarbeitung in die Logikwelt des Prototyp-Produktes plus Aufwand zur Anpassung an ESER- Gerätekomplexe und deren Unterstützung und Diagnose, wie E/A- Geräte, Displaysysteme, Fernverarbeitungsgeräte, Mehrrechner-Kopplungen u.a., die eine vollständige inhaltliche Beherrschung des Produktes erforderten, vor allem auch im Fehlerfalle (!) beim Anwender.

 

Im Rückblick mit großem Abstand bestätigt sich unsere damalige Überzeugung, dass die Prototyp-Orientierung die praktizierte Form der ESER- Arbeitsteilung überhaupt erst ermöglichte. Sie erhöhte die Sicherheit von Systementscheidungen und logischen Teillösungen außerordentlich und senkte den Konzeptions- und Entwicklungsaufwand stark. Aber: Der für eine wirtschaftlich und technologisch stabile Entwicklung der Produktlinie erforderliche und auch erreichte Grad der unbedingten logischen Beherrschung(incl. Bearbeitung von Funktionsabweichungen, Fehlern und Umgehungslösungen) erforderte einen hohen personellen Aufwand, der durch ein großes Team von ESER- Entwicklern bei E2 und beim Partner NIZEWT in gleicher Weise zweifellos gut beherrscht wurde.

 

Systemübergänge 1990 in Ostdeutschland und Russland/GUS

Die politischen und damit einhergehenden wirtschaftlichen „Paradigmenwechsel“ des Gesellschaftssystems vollzogen sich in Ostdeutschland und in der ehem. Sowjetunion etwa zur gleichen Zeit, aber wie bekannt unter extrem unterschiedlichen Rahmen-Bedingungen. In beiden Ländern waren 1990 die ESER- EDVA die dominierende Basis der Informations- und Datenverarbeitung in Behörden und Verwaltung, in Finanzwirtschaft, Verkehr, Verteidigung und Sicherheit, Rentenverwaltung , Krankenversicherungen  und anderen wichtigen Bereichen des Landes. In der DDR waren 1990 ca. 350 ESER-EDVA Anlagen im Einsatz. In der UdSSR waren das im Jahre 1990 ca. 10.000 ESER-EDVA .

Die mit dem Wechsel verbundene Erneuerung der Informations- und Datenverarbeitung war in Ostdeutschland dominiert von einer Umstellung auf  das Wirtschafts-, Verwaltungs- und Rechtssystem  und neue Unternehmensstrukturen u.a  der BRD in extrem kurzen Übergangsphasen. In der UdSSR erfolgte der „Wechsel“ bekanntermaßen in einem mehrjährigen Prozess bei offenen Landes-Grenzen und freier Valutawirtschaft und einem widersprüchlichen nationalen Kräfteringen.

 

Wenige Aspekte des DV- Systemüberganges in den neuen Bundesländern

Neuinvestment oder Austausch von ESER-EDVA war dank der IBM- Kompatibilität des ESER beinahe ein Selbstläufer. IBM oder Siemens (Siemens trotz nicht kompatibler Plattensektoren) „erhielten“ in den Regionen Ostdeutschlands jeweils ihren Marktanteil für Ersatzinvestitionen im Regierungs- und Verwaltungssektor, sowie bei Banken, Versicherungen u.a.. Jeder BRD-Chef brachte „sein System“ mit. Der Wandel bei privaten Unternehmen bestimmte sich vielfach durch wirtschaftlichere Client-Server- Systeme mit INTEL- bzw. IBM/PC-Architektur. Diese neuen Mainframe- und PC- Architekturen waren den zahlreichen erfahrenen IT/DV-Fachleuten der neuen Länder aus ihrer DDR-Tätigkeit bestens bekannt. Die beiden bereits genannten "Key- Player " des deutschen IT/DV – Marktes engagierten sich in den neuen Ländern in deutlich unterschiedlicher Weise.

Siemens praktizierte die Übernahme von Kennern des Ostmarktes und baute damit Vertriebsstrukturen auf. Und es erfolgte darüber hinaus eine Verlagerung von IT-Auslaufprodukten in Produktionsstandorte  Ostdeutschlands, eine Art Arbeitsbeschaffung und Vorstufe eines Produktions- Outsourcings.

IBM Deutschland orientierte neben dem zielstrebigen Aufbau eines Vertriebsnetzes (ausschließlich für die BRD!) bereits auf den Aufbau ihrer „Professional IT-Services“ und verfolgte zielstrebig die Einbindung der besten Robotron- Systementwickler in diese Strukturen. Durch Gründung der „IT Solutions and Services GmbH“ (zunächst als Joint Venture, später als 100%-ge Tochter, heute „ITSAS“ ) fanden 1990 zunächst 220 der erfahrensten ESER- Entwickler in Chemnitz eine Perspektive. Weitere IBM-Aktivitäten erfolgten bei Robotron Vertrieb Berlin und Leipzig. Heute hat die ITSAS- GmbH  10 Standorte in der BRD und ca. 1200 Mitarbeiter. Im „Global Services Verbund“ der IBM leisten die relativ wenigen noch aktiven ehemaligen Mitarbeiter hochwertige IT-Beratung und –Umsetzung.

Die konsequente Orientierung des Teams von E2 auf die ESER-Architektur erfährt so in Chemnitz eine nachhaltige erfolgreiche Weiterführung. Auch vielen anderen Firmen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg half das gute ESER- Know –How ihrer Gründer und Mitarbeiter in der Startphase.

Zum Systemübergang nach 1990  in Russland

Mit dem Zerfall der UdSSR mussten ESER- Produktion und -Services 1990/91 eingestellt werden. Wartung und Modernisierung der Maschinen  wurden extrem schwierig. Bis 1999 blieben dennoch ca. 5000 ESER- EDVA vorrangig deshalb im Einsatz, weil deren Anwender-Programmsysteme lebenswichtig waren. Der Einsatz moderner Plattensysteme und weiterer Peripherie waren eine typische Minimal- Strategie, oftmals ersetzten auch IBM- Second- Hand Anlagen die älteren ESER- EDVA

In den neugegründeten „MBO“- Firmen „Restart“ und „EC-Leasing“ realisierten NIZEWT- Mitarbeiter „Professional Services“, die äußerst schnelle Migration der Anwender- Software der ESER- Nutzer auf modernere IBM- Plattformen , ohne großen Aufwand, denn die Systeme waren ja kompatibel! Ein größerer Teil der Mitarbeiter des NIZEWT ist auch heute noch mit „IT Solutions und Services“ für die große Zahl der ehemaligen ESER-Anwender im Staats- und Regierungsapparat und in Staatsbetrieben tätig, die bis heute als IBM-Anwender (!) vertrauliche Anwendungssysteme, Daten-Netze und Hochleistungsrechner-Komplexe nutzen. Diese wurden teilweise selbst entwickelt und werden mit höchster Kompetenz und Vertraulichkeit im IT-Service betreut, wie auch Rechnerkomplexe und Spezialsysteme -Derivate aus den ESER- Betriebssystemen.

Zusammenfassend
  • Das „System-Wissen“ und die Arbeitsmethoden der ESER- Entwickler und Service- Spezialisten waren 1990 durchaus vergleichbar mit Teams aus der BRD. Es ist höchst erfreulich, dass auf der Basis von exzellentem Wissen, hervorragendem Können aus der Praxis und hoher Motivation viele mit dem ESER aufgewachsene ehemalige Kollegen nach 1990 einen stabilen Arbeitsplatz fanden und  bis zu ihrer Pensionierung keine Arbeitsplatzsorgen hatten, viele davon als selbständige Unternehmer oder leitende Mitarbeiter größerer Firmen.

  • Das gibt mir auch eine nachträgliche Bestätigung, dass sich der persönliche, teilweise riskante Einsatzes zum Erhalt der ESER- Mainframe- Linie bis 1990 in Chemnitz gelohnt hat.

  • Und es ist sehr zu hoffen, dass ein Wechsel von politischen Spannungen seitens der NATO und der EU gegenüber der Russischen Föderation hin zu einer vertrauensvollen , partnerschaftlichen Zusammenarbeit gelingen möge! In Russland gibt es nicht nur hervorragendes Knowhow in der Raketen- und  Weltraumtechnik, sondern auch bei exzellenten Informatikern und Mikroelektronikern!

Der russische Markt kann auf lange Zeit einer der größten Märkte für deutsche Unternehmen sein! Ein Schlüssel dafür ist zweifelsfrei die  wissenschaftlich - technische Kooperation und die Entwicklung und Fertigung mit Russland und für Russland!

Die Erfahrungen unserer ESER- Kooperation sollten Ihnen das zeigen.

 

© Dr.Jungnickel