Satrt vor 40 Jahren
 
 
Beiträge zur DDR- Geschichte des EinheitsSystem der Elektronischen Rechentechnik (1968-1990)  
 
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Zur ESER – Startperiode

 

Dr. Manfred Günther- der erste Chefkonstrukteurs der DDR im ESER- erinnert sich in einem  Gespräch im Mai 2008 zur Startperiode des ESER vor 40 Jahren

 

Die Augen von Dr. Manfred Günther leuchten und sein Gesicht lebt so, wie viele seiner Mitstreiter ihn aus der Anfangszeit des ESER kennen und verehren. Er berichtet von Zusammenhängen und Episoden und beantwortet Fragen mit Tiefe und Präzision. Doch dieses Gespräch mit dem Autor dieser WEB- Site fand nicht in den 70ger Jahre statt, wie hunderte Beratungen damals, sondern in den  Maitagen des Jahres 2008 – fast genau 40 Jahre nach den denkwürdigen und interessanten Ereignissen bei der Vorbereitung und Gründung des ESER.

 

Historisch verbürgte Fakten und Zusammenhänge aus der Startphase des ESER- 1968 / 1969, vor und nach Gründung der Mehrseitigen Regierungskommission Rechentechnik waren bislang unter „www.eser-ddr.de“ und in anderen Quellen unvollständig oder gemäß der Einschätzung einzelner Personen einseitig dargestellt. Es ist daher besonders erfreulich, diesen Mangel durch Erinnerungen des ersten Chefkonstrukteurs der DDR im ESER - Dr. Manfred Günther- weitgehend beseitigen zu können bzw. eine authentische Facette „aus sehr gut informierter Quelle“ hinzuzufügen. Obwohl kaum noch Unterlagen erhalten sind, sind seine Erinnerungen noch frisch und erstaunlich vielseitig… .

 

 

Den Gesprächspartner interessieren zunächst die Geschehnisse der Jahre 1968/ 1969 im Vorfeld der Schaffung des mehrseitigen MRK (ESER)-Vertrages beim Zusammenwirken zwischen UdSSR und DDR,  darunter natürlich besonders auch die Architektur- relevanten Fakten

 

 

Dr. Manfred Günther nimmt sofort Bezug auf den Artikel des Generalkonstrukteurs zur ESER- Geschichte  ( http://www.eser-ddr.de/histUEBERBLICKESER_VVPr_de_001.htm) und erinnert sich dieser Zeit in vielen Details, denn er  war zu jener Zeit Entwicklungschef der VVB Datenverarbeitung und Büromaschinen (DuB) mit Sitz in Erfurt, der zentralen Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB)  der DDR für die Rechentechnik, Datenverarbeitung und Büromaschinen jener Zeit.

In der DDR war bekanntlich das Programm zur Profilierung der Volkswirtschaft in vollem Gange, das unter W. Ulbricht bereits 1956 die Aufgabe formulierte, die „Produktion von Elektronenrechenmaschinen sowie die Entwicklung der Halbleitergeräte für verschiedene Zwecke“ einzuleiten. Mit dem Regierungs- "Programm zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung in der DDR"  wurde in den Jahren 1964 - 1970 ein neuer Industriezweig geschaffen und die VVB DuB war als zentrales Wirtschaftsorgan dafür zuständig.

Und was leicht in Vergessenheit gerät: In der DDR wurde 1966 ein Staatssekretariat für Datenverarbeitung unter Leitung von Günter Kleiber geschaffen, der dann im April 1967 auf dem 8. Parteitag der SED zum Kandidaten des Politbüros gewählt wurde, ein Ausdruck eines besonderen Schwergewichts der maschinellen Datenverarbeitung.

Dr. Günther erinnert sich daran besonders, weil in dieser Zeit an die VVB DuB nicht nur besonders hohe Anforderungen gestellt wurden, sondern weil diese Konstellation auch hochrangige Kontakte mit UdSSR- Regierungsstellen und -Wissenschaftlern ermöglichte.

Unser Gesprächspartner betont besonders, dass in dieser Zeit die Arbeiten zur gemeinsamen Schaffung von Mitteln der Rechentechnik/ Datenverarbeitung zwischen UdSSR und DDR noch in zweiseitiger  Kooperation gemäß entsprechender  Regierungsprotokolle erfolgten, aber darauf  werden wir weiter unten noch zurückkommen .

Zu Architektur- relevanten Fakten stellt er dann lakonisch fest, dass die Prozesse zur Entscheidungsfindung der UdSSR- Regierung zur Wahl der Vorbild – Architektur sehr viel komplexer verliefen, als beim Generalkonstrukteur V. Prschijalkowskij ( siehe   UEBERBLICKESER_VVPr_de...   und … NIZEWT2003_de3.htm  ) nachzulesen.

Die Analyse- und Entscheidungsprozesse in der UdSSR, wie man sie dort aus den Erinnerungen von V.V. Prschijalkowskij nachlesen kann, können aus DDR- Sicht um wesentliche Fakten ergänzt werden.

Im Verlaufe des Jahres 1968 besuchte eine Reihe hochrangiger UdSSR- Regierungs- und Wissenschaftsdelegationen die DDR und interessierten sich besonders für die Potentiale und Arbeiten der DDR auf dem Gebiet der Entwicklung neuer Datenverarbeitungssysteme, aber auch für die Produktionspotentiale der traditionellen Büromaschinenindustrie Thüringens und Sachsens. Dr. Günther nennt aus eigenem Erleben mehrere Besucheivon größeren Spezialistenteams der UdSSR im Verlaufe des Jahres 1968 in  Einrichtungen der DuB, darunter in Sömmerda, Erfurt, Karl- Marx- Stadt (ELREMA), Radeberg u.a.. Er erinnert sich dabei an den Chef der 8. Hauptverwaltung des MRI, M.K. Sulim, an die überraschende Solo- Reise des Direktors des NIEM S. A. Krutowskich, dem späteren  ersten Generalkonstrukteur des ESER, und an weitere Persönlichkeiten, deren Rolle in der DDR oft erst später klar wurde.

Zeitlich  war das also weit vor der Beschlussfassung zum Architektur- Prototyp der „REIHE“ in der UdSSR und ca 1 Jahr vor Abschluß des mehrseitigen Regierungsabkommens.

Später setzten sich derartige Besuche leitender Persönlichkeiten der UdSSR fort , darunter des Ministers für Radioindustrie der UdSSR Kalmykow und  seines Nachfolgers Pleschakow.

 

Man konnte bislang aus den zurückhaltenden Äußerungen von V. V. Prschijalkowskij (..BetriebssystemedesESER-UdSSR-Ueberblick_001.htm#_Toc163133831.)   zwar durchaus schon entnehmen, dass die Offenlegung des Arbeitsstandes der Software-Technologie des DDR-Projektes „Robotron 400“ im Verlaufe 1968 den Vertretern der /360- Architektur in der UdSSR gute Argumente und Fakten „pro /360“ vermittelte. Aber die Fragen der Software- Technologie waren offenbar nur die bekannte Spitze des Eisberges. Verschiedene Spezialistenberatungen zwischen UdSSR und DDR aus dem Jahre 1968 legen nach Erinnerung von M. Günther die Vermutung nahe, dass die sehr offene Darlegung des komplexen Arbeitsstandes der DDR und verschiedene gemeinsame Arbeiten in der DDR an Importgeräten entscheidend dazu beitrugen, dass in der UdSSR letztlich pro /360- Fakten im Projekt „Reihe“ dominierten.

Dieser offene Umgang mit Interna war durchaus keine Selbverständlichkeit , sondern eher eine notwendige operative Strategie, geboren  aus den laufenden Arbeiten in der DDR. Folgendes Beispiel ist noch gut in Erinnerung: Spezialistentreffen in Moskau machten z.B. deutlich, dass in der UdSSR interne Positionskämpfe zur Wahl einer künftigen einheitlichen Systemarchitektur erneut aufflammten , wobei sowohl einheimische (vaterländische) Systemlösungen, als auch andere Architektur- Optionen (ICL, Siemens) zur Diskussion standen. Es hatte den Anschein, dass eine englische Firma außerordentlich verlockende Angebote gemacht hatte ….Unterstützung seitens der DDR- Regierung für die Robotron- Spezialisten und ihre System- Linie war daher dringend.

 

In solchen  kritischen Phasen und später bei vielfältigen Grundfragen der Vertragsregelungen, wie z.B. bei der Gestaltung der Software- Lizenzverträge, half auf hoher Regierungsebene das persönlich Wirken des Staatssekretärs, aber wohl eher ( in Personalunion) des Kandidat des Politbüros der SED  Günter Kleiber . Seine Autorität half , die eingeschlagene DDR- Linie gegenüber den UdSSR – Partnern zu vermitteln und letztlich zu erhalten. Das unterstrich das hohe Niveau der laufenden DDR- Arbeiten und trug  sicher wirkungsvoll bei, dass andere Architektur- Varianten in der UdSSR verworfen wurden.

 

Die Argumente für / 360 ermöglichten letztlich auch eine Kontinuität der DDR-Arbeiten. Gravierende Eindrücke entstanden auch bei den Arbeiten zum Start des Systemkonzepts. Die UdSSR – Spezialisten legten nach UdSSR- interner Entscheidung für das System /360 in einer zweiseitigen Spitzenberatung mit einer DDR- Gruppe weit vor Ende 1969 ein umfangreiches, 5 Bände umfassendes  „Vorprojekt“ zum System REIHE ( ESER 1) vor, aus dem für die beteiligten führenden DDR- Spezialisten mehrerer Industriezweige (aktive Bauelemente, Leiterplatten und Steckverbinder, Magnetbandgeräte und andere Speicher, u.a.) gute Chancen für ein gemeinsames systemtechnisches und technologisches Zusammenwirken unter Nutzung der schon bestehenden DDR – Basis deutlich waren, ein Impuls zur Verstärkung der Anstrengungen... .

 

Zusammenfassend kann man also durchaus feststellen, dass ein wesentlicher Teil der Systementscheidungen der UdSSR zum „Prototyp“ de facto durch die Arbeiten am Komplex R400 bei  ELREMA  Karl- Marx- Stadt getroffen wurde.

 

 

Hier ergiebt sich die Frage , wie sich in der DDR- Praxis denn der Wandel von einer zweiseitigen Kooperation zu der dann realisierten  Mehrseitigen Kooperation darstellte:

 

 

 

Tatsächlich lief ein komplizierter und widersprüchlicher Parallelprozess ab. Die DDR- Fachleute sahen im Verlaufe des Jahres 1968 und weit in 1969  die Vorteile einer zweiseitigen wirkungsvollen technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Arbeitsteilung UdSSR- DDR. Das entsprach Regierungsprotokollen, wo der Abschluss eines zweiseitigen Abkommens vereinbart war. Auf dieses Ziel konzentrierte sich lange Zeit das Wirken der DDR- Spezialisten.

 

In der Zeit der Vorbereitung des zweiseitigen Abkommens und seines Ergänzungsabkommens von Juni 1969 gab es zwischen beiden Seiten auch erbitterte Auseinandersetzungen zur Spezialisierung. Die sowjetische Seite vertrat u.a. den Standpunkt, dass sich die DDR auf die Entwicklung und Produktion elektromechanischer Peripheriegeräte konzentrieren solle. Sie argumentierte, die UdSSR habe genügend Kapazitäten, um die DDR mit EDVA- Zentraleinheiten  zu versorgen. Vor allem der zuständige Abteilungsleiter in GOS- Plan (später lange Zeit Leiter des ökonomischen Rates der MRK), Herr Samarin war hierzu der Hauptvertreter.

Manfred Günther ergänzt: „In den von mir beobachteten 20 Jahren haben sie diese Meinung nie ganz aufgegeben“ .

Aber auch die von Viktor Prschijalkowskij 1995 dokumentierte  total unbefriedigende Situation bei der Entwicklung und Produktion von ESER- EDVA in der UdSSR zeigt, wie verantwortungslos und weit entfernt von systemtechnischer Realität derartige Erklärungen und Planungen von „GOSPLAN“ waren. Insofern war die durchgesetzte Spezialisierung der DDR auf mittlere EDVA und auf Betriebssysteme eine „Sternstunde“ zugunsten der nächsten 15 Jahre der DDR- Rechnerindustrie.

 

Im zweiseitigen Vertrag vom 22.12.1968  war schließlich  fixiert :

 

Artikel1: „Beide Seiten schaffen in den Jahren 1971-1973 ein einheitliches System der elektronischen Datenverarbeitungstechnik.

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Artikel 7: „Jedes sich aus diesem Abkommen ergebende Vorgehen der Seiten wird mit der Arbeit zur Schaffung des einheitlichen Systems der elektronischen Datenverarbeitungstechnik für alle interessierten sozialistischen Länder koordiniert.

Die DDR und die Sowjetunion werden sich an den Arbeiten in der zu diesem Zweck durchzuführenden mehrseitigen Zusammenarbeit mit allen interessierenden sozialistischen Länder beteiligen.

 

Aber das zweiseitige Abkommen war nur ein Intermezzo. Im Verlaufe des ersten Halbjahres 1968 hatte der zuständige Leiter der UdSSR-Plankommission, M. E. Rakowski , bereits gegenüber G. Kleiber auf die Notwendigkeit einer mehrseitigen Zusammenarbeit hingewiesen.

Ein Schreiben des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR W. Stoph an den Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR  N. A. Kossygin ( siehe Kopie des Schreibens)  aus dieser Zeit ( erstes Halbjahr 1969) zeigt, dass DDR -seitig zunächst wenig Vertrauen in die Effektivität einer mehrseitigen Arbeit bestand, aber wohl vor allem die Sorge existierte, die Umsetzung der zweiseitig vereinbarten Systempolitik auf Basis der Arbeiten zum Konzept „Rjad“ und „R400“ könnte verzögert oder verändert werden und damit die systemtechnischen Vorleistungen der DDR verloren gehen.

Der Schaffung eines Rates der Chefkonstrukteure der beteiligten sozialistischen Länder wurde aber von der DDR- Regierung zugestimmt mit dem deutlichen Hinweis auf Beibehaltung des Systemkonzeptes „Rjad/ R400“.


 

 

Hier schließt sich die nächste Frage an : Seitens der UdSSR- Verantwortlichen der Staatlichen Plankommission wurde die mehrseitige Zusammenarbeit offensichtlich eindeutig als zentrale Politik der UdSSR zur sozialistischen ökonomischen Integration vertreten. Wie wurde denn das Abkommen zur Mehrseitigen Regierungskomission Rechentechnik (MRK) mit seinen Festlegungen zur Arbeitsweise und zur Struktur der Arbeitsorgane und zu den fachlichen Zielen mehrseitig vorbereitet.  

 

 

In der Tat erfolgten im Herbst des Jahres 1968, Monate vor Unterzeichnung des „Mehrseitigen Regierungsabkommens zur gemeinsamen Entwicklung, Produktion und Anwendung eines einheitlichen Systems der elektronischen Rechentechnik“ Treffen von Beauftragten der Länder. Der Schriftwechsel dazu ( s.o.)  war ja eindeutig!

In dieser Phase wurden bereits leitende Persönlichkeiten der Länder für die technische Leitung der Arbeiten benannt. So wurde Dr. Günther unmittelbar durch den Staatssekretär zum Chefkonstrukteur der DDR berufen.

Die Struktur der Kommission insgesamt und auch die Arbeitsorgane des Rates der Chefkonstrukteure entstanden aus der Zielstellung eines „Einheitssystems“, wobei der Grad der Vereinheitlichung neben der Systemarchitektur nach kontroversen Diskussionen bei realen Zielen auf der Ebene der Interfaces und der Basiskonstruktion fixiert wurden. Viele Details der Organisation wurden offenbar aus Projekt- Dokumenten übernommen, wie sie in der UdSSR für interne Großprojekte üblich waren und sich bewährt hatten. Auch die Strukturen der Arbeitsorgane und Prozeduren der Entscheidungsfindung und –Durchsetzung erinnerten stark an straffe, halbmilitärische Arbeitsmethoden. Aber besonders auffallend war der permanent sich wiederholende Versuch der UdSSR – Seite, die Systemforderungen an das System aus sowjetischen Standards abzuleiten, die nur aus dem militärisch- industriellen Komplex stammen konnten.

Auch war deutlich, dass die MRK - Arbeit verbindlicher ablaufen sollte, als die "parlamentarischen" Methoden innerhalb des RGW.  

In den Beratungen zur Vorbereitung des Regierungsabkommens beeindruckten aber vor allem die hohen Bedarfszahlen, welche die UdSSR- Vertreter in vorläufigen Dokumenten darstellten und die deutlich den wirtschaftlichen Führungsanspruch der UdSSR in allen Organen der künftigen Regierungskommission begründeten. Viele dieser Zahlen erwiesen sich dann Jahre später als unreal.

 

Insgesamt war zum Jahresende 1968 ein Abkommen entstanden, welches einen konkreten und zielgerichteten Start einer großen Zahl von Fachleuten verschiedener Länder und Organisationen ermöglichte.

 

 

Und noch eine Frage zu einem „wunden Punkt“ der mehrseitigen Spezialisierung – warum wurde letztlich DDR- seitig auf die Weiterführung der begonnenen Entwicklung und Produktion von Magnetplatten – Speichern verzichtet, deren Qualität und verfügbare Menge immer ein großes Hemmnis der Datenverarbeitungs- Projektierung war?

 

 

M. Günther erinnert sich dazu vieler Details: Im Rahmen der Projekte für R400 wurde ja bei Robotron/ Radeberg auch eine Entwicklung und Fertigung eines 14 Zoll Wechselplatten- Speichers mit einer Kapazität von 7,25 MByte / Spindel eingeleitet und bis zur Kleinserienfertigung geführt.

Im DDR- Ministerium für Elektrotechnik/ Elektronik, in dem der Chefkonstrukteur der DDR im ESER quasi als Abteilungsleiter tätig war, wurden Anfang der 70-ger Jahre umfangreiche Bilanzierungsaufgaben für unterschiedliche Produktlinien bearbeitet. Chancen bestanden für die Produkte, deren Exportchancen zusammen mit dem DDR- Bedarf wirtschaftliche Stückzahlen erwarten ließen und wofür ein geeignetes technologisches Basis- Profil verfügbar war.

Der Bedarf einerseits und die Kapazitäts- und Technologie- Voraussetzungen andererseits in Einklang zu bringen- das war wie die Quadratur des Kreises. Für die Plattenspeichertechnik eine Großserienfertigung in Radeberg auszubauen, war im Rahmen verschiedener Planungs- Konzepte mehrfach geprüft und immer wieder negativ beschieden worden.

Andererseits waren da die Bulgaren. In den Verhandlungen um die Schaffung der MRK RT zeigte der Stellvertreter des Minsterrates der VRB Ivan Popov , der mit großen Liefervolumina auf den sowjetischen Markt  rechnete, große Aktivität.  Er ging nicht nur in Moskau aus und ein und versprach hohe Investitionen in eine stabile Großproduktion,  sondern stellte auch den DDR- Oberen seine Konzepte vor.

In der Tat begannen die Bulgaren mit dem Bau mehrerer großer Werke und stellten große Kapazitäten für die Entwicklung moderner Plattenspeicher- Geräte bereit. Auch DDR- Delegationen konnten sich mehrfach vom Bauumfang überzeugen. Allerdings verblüfften die DDR- Spezialisten oftmals die kurzen Entwicklungszeiten und die große technologische und konstruktive Nähe zu westlichen Prototypen. …

 

Der politische und sachliche Druck zur Spezialisierung der VRB für Plattenspeicher in der UdSSR und der DDR führten Anfang der 70ger im Glauben in die Leistungsfähigkeit der ökonomischen Integration zur Beendigung der Plattenspeicher- Arbeiten in der DDR .

 

Die Probleme allerdings blieben. Es wohl war diese Prototyp „Kopier-Technologie“ ,  neben den ungelösten Fragen des bilateralen Warenaustausches, die letztlich dazu führten, dass bulgarischen Plattentechnik im ESER ständig ein Qualitätsrisiko blieben und Mangelware wegen unsinniger Handelsbilanzen !  

 

Mitte der 80ger Jahre hatte daher die DDR die Entscheidung getroffen, mit hohem Aufwand wieder eigene moderne 5,25“ und 3,5“ Winchesterplatten zu entwickeln und zu produzieren – allerdings kamen diese Arbeiten unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr zum Tragen und wären ökonomisch auch nicht exportfähig gewesen.

Man sieht also, es waren große und komplexe Themen, deren Lösung unter den gegebenen Umständen für die Wirtschaftskraft des RGW nicht real  waren. Hier  war es also, so meint M. Günther nachdenklich,  letztlich keine einfache Fehlentscheidung der DDR- Führung , sondern eher ein komplexer Systemdefekt.

 

 

 

Mit dem Start der zwei- und mehrseitigen Arbeiten zur Rechentechnik war die DDR mit einer deutlich größeren Zahl von Nomenklatur- Positionen im Entwicklungsplan vertreten, als in späteren Phasen. Warum nahm das Durchsetzungs- und Bilanzierungsvermögen bei der DDR- Beteiligung im ESER scheinbar mit den Jahren ab.

 

 

Dr. Günther versucht hier eine kurze Antwort . In der Startphase des ESER erfolgte die Leitung des Industriezweiges ja bekanntlich noch einheitlich seitens der VVB DuB. Sicher war das ESER- Abkommen auch das erste internationale Abkommen dieser  Dimension, verbunden mit vielerlei Erwartungen zur Öffnung des großen RGW- Marktes.

Im Verlaufe der nächsten Jahre erfolgten ja dann wirtschaftsorganisatorische  Änderungen, die Bildung der Kombinate Robotron und Zentronik erhöhte deren Eigenständigkeit und die verschiedensten Anforderungen aus verschiedenen Zweigen der Wirtschaft an die Betriebe der Elektrotechnik und Elektronik wuchsen überproportional zu deren Möglichkeiten.

Schließlich zeigten auch die praktischen Erfahrungen der ersten Jahre der Handelsbeziehungen der Länder, dass nicht alle hochgesteckten Erwartungen in die Exportfähigkeit von Nomenklaturpositionen des ESER real waren, auch andere Länder, wie Bulgarien, Ungarn, Polen und die CSSR  entwickelten verstärkt ihre nationalen IT-  Industriezweige und traten als ernsthafte Mitbewerber auf..

Letztlich brachte die Zusammenführung der Kombinate Robotron und Zentronik 1978 die Alleinverantwortung des neuen Kombinat Robotron für alle Positionen der Rechentechnik/ Datenverarbeitung und einen riesigen Berg neuer Anforderungen.

 

In dieser Phase empfand Dr. Günther die Verlagerung der Verantwortung des Chefkonstrukteurs der DDR im ESER ( die ja bis dahin bei ihm im Ministerium EE lag) näher an die Basis, wie er sagte, als eine effektive und produktive Entscheidung. Der Direktor für Forschung und Entwicklung des Kombinat Robotron und später dann der Direktor des ESER- Entwicklungszentrums in Karl- Marx- Stadt waren als Chefkonstrukteure wesentlich besser in der Lage, mit den Entwicklungsbereichen zu arbeiten , die vielfältigen Besonderheiten zu koordinieren und das Wissen und Können der großen Zahl hervorragender Spezialisten besser einzubeziehen.

 

 

Mit diesem Gespräch spannte sich nicht nur ein Zeitrahmen über 40 Jahre, sondern auch über 3 Generationen Chefkonstrukteure der DDR im ESER- ein äußerst instruktives Gespräch.

 

Herzlichen Dank!

 

 
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